Der VCI sieht im Klimaschutzpaket der EU-Kommission eine gewaltige Herausforderung für Unternehmen in Europa.
Das mit „fit for 55“ angestrebte Ambitionsniveau von minus 55 Prozent Treibhausgasen in nur 9 Jahren sei weltweit einzigartig und berge aus genau diesem Grund eine Reihe von Risiken, die noch nicht ausreichend abgewogen seien, so VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.
Er sagte: „Keine Frage: Wir stellen uns der Herausforderung. Wir stehen damit aber vor der wohl größten Transformation der Wirtschaft seit Beginn der Industrialisierung. Es reicht nicht, nur Vorbild für die Welt zu sein. Es muss auch darum gehen, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit für Europa zu sichern. Das bedeutet, Unternehmen brauchen angesichts der massive18 Mehrkosten für den Klimaschutz einen wirksamen Schutz vor unfairem Wettbewerb. Sonst droht statt einer klimaneutralen europäischen Industrie ein klimaneutrales Europa ohne Industrie.“
Die chemisch-pharmazeutische Industrie gehe den Weg Richtung Treibhausgasneutralität mit, könne das aber nur, wenn sie optimale Bedingungen in vielen der Bereiche vorfinde, die „fit for 55“ erfasst. Bei den Vorschlägen der Kommission macht Wolfgang Große Entrup Sorgen, dass die bewährten Entlastungsregeln im EU-Emissionshandel stark zurückgefahren und stattdessen CO₂-Grenzabgaben eingeführt werden sollen. Diese werden die exportorientierte chemisch-pharmazeutische Industrie im internationalen Wettbewerb aber nicht wirksam schützen, sagte der VCI-Hauptgeschäftsführer. Zudem seien sie schwer vereinbar mit den Regeln der Welthandelsorganisation und könnten so zusätzliche Handelsstreits provozieren. Große Entrup: „Die Signale unserer internationalen Handelspartner sind eindeutig: Ein EU-Laborversuch mit Grenzsteuern ist gefährlich und schon jetzt zum Scheitern verurteilt.“
Positiv vermerkte Große Entrup, dass die EU-Kommission Verkehr und Gebäude nicht in den bestehenden EU-Emissionshandel integrieren möchte, sondern für diese Bereiche ein separates System schaffen wolle. In vielen Detailregelungen sieht er dagegen noch Änderungsbedarf. So wolle die EU-Kommission mit der Erneuerbaren-Richtline (REDII) Unternehmen auch vorgeben, welchen Anteil an erneuerbaren Energien diese einzusetzen haben. Quotenvorgaben seien aber der falsche Ansatz, solange es viel zu wenig Erneuerbare gebe, so der VCI-Hauptgeschäftsführer: „Ambitionierte Ziele ohne eine ausreichende Menge an grüner Energie und die nötigen Netze: Das passt nicht zusammen. Die Politik steht jetzt in der Verantwortung, zeitnah ausreichend viel Grünstrom zu wettbewerbsfähigen Preisen zu mobilisieren. Nur so ist die Transformation zu bewältigen.“
Verbesserungen wünscht sich Große Entrup auch im Zusammenspiel der Maßnahmen im Klimaschutzpaket. So widerspreche die Energieeffizienzrichtlinie EED mit ihrem Ziel, Energie absolut einsparen zu wollen, weiter der Tatsache, dass klimaneutrale Technologien oft mehr Energie benötigen als fossilbasierte. Zudem müsse der EU-Beihilferahmen mitspielen, den die EU-Kommission aktuell überarbeitet. Große Entrup: „Viele der Fortschritte, die die Kommission im Klimaschutz anstoßen will, muss sie rechtlich jetzt auch möglich machen.“ Das EU-Beihilferecht sei entscheidend dafür, dass Unterstützung für die Transformation der Industrie, zum Beispiel über „Carbon Contracts for difference“, geleistet werden könne.
Text: Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI)