Wie ist in volatilen Zeiten die Investitionsbereitschaft der deutschen Lebensmittel- und Getränkeindustrie? Auf welchen Bereichen liegt der Fokus? Antworten liefert der jetzt erschienene Trendmonitor „Investitionen und Trends in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie“ der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft). Er fasst aktuelle Entwicklungen zusammen und gibt einen Ausblick auf neue Verfahren und Technologien, die wettbewerbsentscheidend sind. Die Publikation wurde gemeinsam mit dem DLG-Hauptausschuss Fachzentrum Lebensmittel erstellt.
Der DLG-Trendmonitor erscheint alle drei Jahre im Vorfeld der Anuga FoodTec, der wichtigsten Informations- und Businessplattform für innovative Entwicklungen in der internationalen Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Er ergänzt das Angebot der Weltleitmesse und informiert regelmäßig über kurz- und mittelfristige Investitionsplanungen. Auch Entwicklungen und Herausforderungen in der Lebensmittel- und Getränkebranche finden Berücksichtigung. Statements von Experten ergänzen und untermauern die aktuellen Befragungsergebnisse durch zusätzliche Insiderinformationen.
Die Online-Befragung fand von Oktober 2023 bis Februar 2024 statt. Es beteiligten sich 104 Unternehmen aus dem deutschsprachigen Raum, die verschiedenen Branchen und Betriebsgrößen angehören.
Investitionstreiber: Sicherheit, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Automatisierung
Die Transformation hin zu einer umweltfreundlichen und dennoch produktiven Wirtschaft kann nur mit massiven Investitionen gelingen. Die befragten Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie tätigen Investitionen in dem für sie vertretbaren und notwendigen Rahmen. 28% haben in den nächsten drei Jahren vor, zwischen 1 Mio. und 4,99 Mio. Euro zu investieren, 13% planen mehr als 5 Millionen ein. Für die meisten scheint der Fortbestand des Unternehmens wichtiger als die Expansion, sie setzen vor allem auf Ersatzinvestitionen bzw. Effizienzsteigerung; 36% der Befragten planen Kapazitätserweiterungen.
Aktuelle Herausforderungen
Knapper werdende Ressourcen, die Herausforderungen an den Energiemärkten und strenge Umweltauflagen machen effiziente Produktionsprozesse zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor in der Lebensmittel- und Getränkewirtschaft. Für die befragten Unternehmen besitzen Investitionen in eine nachhaltige Produktion sowie in die Digitalisierung und Automatisierung aktuell die größte Relevanz. Damit einher gehen Investitionen in Daten-, Produktions- und Lebensmittelsicherheit, die in den kommenden drei Jahren als sehr wichtig im Zusammenhang mit der digitalen Transformation angesehen werden. Letztere schreitet in den befragten Unternehmen stetig voran. Neben der immer wichtiger werdenden Cybersecurity eröffnen Entwicklungen in der Datenerfassung und -verwaltung Unternehmen heute neue Möglichkeiten – vor allem im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz (KI), die von den Befragten mit Abstand als wichtigste Zukunftstechnologie angesehen wird. Auch bei der Datenanalyse stellen KI-basierte Systeme einen wesentlichen Innovationstreiber dar: Große Datenmengen unterschiedlicher Quellen können heute in kürzester Zeit gewonnen und automatisiert verarbeitet werden, um die Maschinenleistungen sowie die Qualität der Prozesse in Echtzeit zu überwachen, zu steuern und neben Reinigungs- auch vorausschauende Wartungsprozesse zu organisieren. Genau hier setzen Automatisierung und Digitalisierung an, die bei den Investitionsüberlegungen eine wesentliche Rolle spielen. Denn am ehesten lässt sich Effizienz und Nachhaltigkeit durch automatisierte Prozesse erreichen, die digital und in Echtzeit überwacht werden, um sie bei Bedarf schnell anpassen zu können. Die Basis dafür liegt in der Datentransparenz, die es Unternehmen ermöglicht, beispielsweise ihre Energieverbräuche für Spülen, Reinigen, Waschen oder Erhitzen auf einzelne Prozesse herunterzubrechen und zu optimieren. Folglich liegen „Energiemanagement“ und „neue Technologien zur Reduzierung von Wasser, Kälte/Wärme oder Strom“ und „Abfallvermeidung“ bei den befragten Unternehmen an der Spitze ihrer Nachhaltigkeits-Investitionen.
Alternative Proteine
Generell ist bei den befragten Unternehmen ein Anstieg des Einsatzes alternativer Proteinquellen zu verzeichnen. Erbsen, Weizen und Soja werden am häufigsten genutzt. Aber auch Sonnenblume und Raps finden verstärkt Anwendung, wohingegen der Einsatz von Lupinen unverändert bleibt. Insekten spielen weiterhin eine untergeordnete Rolle bei den befragten Unternehmen. Deutlich wird, dass sich neben Start-ups auch konventionelle Lebensmittelhersteller immer mehr mit diesem Wachstumsmarkt beschäftigen. Denn alternative Proteine werden gerade auch bei Fleischersatzprodukten im Lebensmittelmarkt der Zukunft eine zentrale Rolle spielen.
Die Investitionsbereitschaft der befragten Unternehmen in Innovationen geht im Vergleich zum DLG-Trendmonitor 2021 weiter zurück.
Ergebnisse
Die Ergebnisse des aktuellen Trendmonitors verdeutlichen die bestehende Notwendigkeit für Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie weiter in die Transformation zu investieren, um in einem nachhaltigen globalen Wirtschaftsumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben.
Planungssicherheit und der Abbau bestehender Investitionsbarrieren durch optimale Rahmenbedingungen, auch seitens der Politik, sind der Schlüssel, um Unternehmensinvestitionen in die Transformation weiter zu stärken und notwendige Innovationen für Fortschritt in einem anhaltend volatilen globalen Umfeld zu fördern.
Key Findings des DLG-Trendmonitors 2024
1. Investitionen
Die befragten Unternehmen planen vor allem Ersatzinvestitionen und Investitionen zur Effizienzsteigerung. Aber auch Investitionen in Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Automatisierung sind angedacht, was die gestiegene Bedeutung der Themen für die Unternehmen widerspiegelt. Am stärksten soll weiterhin in den Produktionsbereich investiert werden. Als besonders wichtig werden Investitionen in Sicherheitsthemen (Daten-, Produktions- und Lebensmittelsicherheit) in den nächsten drei Jahren gesehen.
2. Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist für die befragten Unternehmen von immenser Bedeutung. Bis Mitte 2023 wurde vor allem in die Bereiche „Energiemanagement“, „Abfallvermeidung durch effizientere Prozesse“, „Verwertung von Rohstoffen“ und „Neue Technologien zur Reduzierung von Wasser, Kälte, Wärme und Stromlasten“ investiert. Auch in den nächsten drei Jahren soll insbesondere in die genannten Bereiche investiert werden. Auffällig ist die Abnahme der Investitionsbereitschaft in die Bereiche „Verwertung von Rohstoffen“ und „Re-Work“, die sich bereits in den vergangenen DLG-Trendmonitoren abzeichnete sowie die Abnahme der Investitionen im Bereich „Reduzierung von Reinigungsmitteln“, was darauf hinweisen könnte, dass die Optimierungsmöglichkeiten diesbezüglich ausgeschöpft sind.
3. Gegenwärtiger und geplanter Einsatz von Verfahren und Technologien
Die Bedeutung von Verfahren und Technologien, mit denen „Clean Label“-Produkte hergestellt werden können, scheint abzunehmen. Auch „Predicitive Maintenance“ ist etwas aus dem Fokus gerückt bzw. bereits umgesetzt. Der Einsatz der „Smart Factory“ ist leicht gestiegen, jedoch nicht so stark wie erwartet. „Künstliche Intelligenz“ wird bereits von 10% der befragten Unternehmen eingesetzt. Das Interesse am Einsatz „Künstlicher Intelligenz“ wird in den nächsten drei Jahren voraussichtlich stark zunehmen.
4. Industrie 4.0 und digitale Transformation
Der Trend hin zur digitalen Transformation ist fortlaufend erkennbar. Die Umsetzung ist in den Bereichen „Rückverfolgbarkeit und Transparenz“, „Datenmanagement“ und „Daten- und Produktionssicherheit“ am weitesten vorangeschritten. In diesen drei Bereichen wird auch überwiegend eine weitere Umsetzung in den nächsten drei Jahren geplant. Aber auch im Bereich „Strategie- und Changemanagement“ soll die digitale Transformation in den nächsten drei Jahren vermehrt umgesetzt werden, denn es gilt diesbezüglich vor allem auch die Mitarbeitenden motivierend einzubinden.
5. Datensicherheit
Datensicherheit ist ein sehr wichtiges Thema in den Unternehmen. Das Wissen über Hackerangriffe ist allerdings nicht sehr weit verbreitet. Hackerangriffe auf Unternehmensdaten kommen häufiger vor als auf Produktionsanlagen. Insgesamt ist ein Anstieg an Hackerangriffen zu verzeichnen.
6. Lebensmittelonlinehandel (eFood)
Der bestehende Lebensmittelonlinehandel hat sich in den letzten drei Jahren nicht wesentlich verändert. Lebensmittel werden von ca. 60% der befragten Unternehmen online vertrieben. Den Ausbau des eigenen Onlinevertriebs plant knapp die Hälfte der befragten Unternehmen.
7. Produkte für spezielle Lebenssituationen
Alternative Lebensmittel für Menschen mit Allergien oder Intoleranzen (z. B. glutenfrei oder laktosefrei) spielen nach wie vor eine wichtige Rolle. Die Produktion von veganen Produkten hat weiter an Bedeutung gewonnen.
8. Alternative Proteinquellen
Generell ist ein Anstieg des Einsatzes von alternativen Proteinquellen zu verzeichnen. „Erbse“, „Weizen“ und „Soja“ werden am häufigsten als alternative Proteinquellen eingesetzt. Aber auch der Einsatz von „Sonnenblume“ und „Raps“ steigt, während der Einsatz von „Lupinen“ unverändert bleibt. „Insekten“ spielen weiterhin nur eine untergeordnete Rolle.
Text: DLG e.V.