Promovend Bruno Schubert untersucht an der FH Münster, wie die additive Fertigung Zeit und Kosten in der Orthopädietechnik sparen kann.
In seiner Promotionsarbeit untersucht Bruno Schubert am Fachbereich Physikingenieurwesen der FH Münster, unter welchen Bedingungen ein individueller Prothesenschaft per 3D-Druck hergestellt werden muss, um nötigen Normen standzuhalten.
Der 3D-Druck hilft dabei, Zeit und Kosten in der Orthopädietechnik einzusparen – vorausgesetzt, die gedruckten Orthesen oder Prothesenschäfte, also das Verbindungsstück zwischen Stumpf und Prothese, halten den realen Belastungen auch Stand. Promovend Bruno Schubert will dafür im Labor für Biomechatronik der FH Münster Sorge tragen. Mit einem selbst konstruierten Prüfstand testet er 3D-gedruckte Prothesenschäfte hinsichtlich ihrer Belastbarkeit und erforscht, welche Kunststoffe sich für den Druck besonders eignen. Dies würde ermöglichen, individuell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Patient*innen abgestimmte Prothesenschäfte schnell und kostengünstig herzustellen.
„Ich habe schon mehr als 15 verschiedene Materialien getestet“, sagt Schubert. „Jetzt gerade arbeite ich mit PET, dem ich Carbon-Kurzfasern beigemischt habe. Das eignet sich gut für den 3D-Druck.“ Er befindet sich gerade im Labor für Kunststofftechnologie und Makromolekulare Chemie auf dem Technologie-Campus Steinfurt, dessen Team Schubert dabei hilft, die Kunststoffe zu finden und anzupassen. „Ein denkbarer nächster Schritt wäre es auch, das ideale Material einfach selbst zu entwickeln.“ Im von Prof. Dr. Stephanie Düttmann geleiteten Labor entstehen unter anderem eigene, nach individuellen Vorgaben maßgeschneiderte Filamente – das Ausgangsmaterial für den 3D-Druck – für die Forschung und Industrie. Dies hilft Projekten wie denen von Schubert, um schnell und unkompliziert innerhalb der Hochschule Lösungen für konkrete Problemstellungen zu finden.
Belastungstest für Prothesenschäfte – mit 450 Kilogramm auf dem Prüfstand
Hinter Schubert steht der Prüfstand, in den er den Prothesenschaft einklinkt. Ein darin verbauter Metallzylinder – der übrigens wiederum selbst im Labor für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik im Metall-3D-Drucker entstanden ist – wirkt mit einem definierten Kraftniveau von rund 450 Kilogramm 30 Sekunden lang auf den Schaft ein. „Eine für Prothetik zuständige DIN-Norm gibt vor, dass eine Prothesenkomponente drei Millionen Zyklen lang halten soll – das entspricht drei Millionen Schritten und umgerechnet einer Lebenszeit von drei Jahren pro Schaft.“ Eine Herausforderung ist, dass diese Norm bisher nicht für Prothesenschäfte gilt. Ein weiteres Problem ist das Fehlen eines geeigneten Modells des menschlichen Stumpfes. Das Modell dient während der Prüfung dazu, das menschliche Bein zu simulieren. Es muss einerseits alle wesentlichen Eigenschaften des menschlichen Gewebes abbilden und andererseits kostengünstig und einfach reproduzierbar sein.
Schuberts Aufgabe neben der Normung ist es, einerseits das geeignete Ausgangsmaterial für den 3D-Druck zu finden, aber andererseits auch die passenden Parameter herauszuarbeiten, um die Schäfte richtig zu drucken. Dazu zählen etwa die richtigen Temperatureinstellungen oder die Druckgeschwindigkeit. „Die Herausforderung besteht außerdem darin, trotz individueller Anforderungen an den Prothesenschaft, die zum Beispiel je nach Körpergröße, -gewicht oder Geschlecht variieren können, eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten“, so Schubert.
Um künftig Zeit und Material zu sparen, plant der Doktorand die Simulation in einem digitalen Zwilling. Würde diese vielversprechend ausfallen, könnte er anschließend unter realen Bedingungen im Prüfstand testen.
Der 3D-Druck sei eine echte Bereicherung für die Orthopädietechnik, jedoch werde er in Europa noch nicht weitläufig angewandt. „Wir greifen darum auch auf Wissen zurück, das in der Orthopädietechnik bisher traditionell an der Werkbank erarbeitet wurde. So entsteht ein Austausch: Beide Seiten profitieren vom Know-How der jeweils anderen.“ Das Team um Prof. Dr. David Hochmann, der Schuberts Arbeit prüft, arbeitet außerdem bei dem Thema mit der AOPA – der American Orthotic and Prosthetic Association – zusammen. „Es gibt nur wenige, die in Deutschland daran arbeiten. Umso wichtiger ist es, sich international zum Thema auszutauschen“, so Schubert.
Das Projekt wird durch die Stiftung Löwenbrücke finanziell unterstützt.
Text: Fachhochschule Münster