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„Circular Economy braucht klare Regeln“

by Redaktion

In der Interviewreihe „Circular Competence“ befragt der VDMA Fachverband Druck- und Papiertechnik seine Mitgliedsunternehmen zu ihren Plänen, Lösungen und Herausforderungen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Was kann die Branche dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck von Verpackungen und anderen Druckerzeugnissen zu minimieren?

Dr. Peter Steinbeck, CEO der Windmöller & Hölscher (W&H) Gruppe mit Hauptsitz in Lengerich, erläutert im Gespräch Strategien und konkrete Ansätze des Unternehmens für den Eintritt in die Kreislaufwirtschaft.

Nutzen Sie in Ihrer eigenen Produktion Kreislauf- und Müllvermeidungskonzepte?

Das ist bei uns seit über 30 Jahren ein wichtiges Thema. Anfang der 1990er Jahre – anlässlich der damals neuen Verpackungsverordnung – haben wir systematisch analysiert, wie wir Müll in unserer Produktion vermeiden und Restmaterialien sortenrein sortieren können. Seither haben wir das ständig optimiert und machen auf diesem Gebiet heute alles, was möglich ist. Denn sortenrein sortiert und klassifiziert werden aus Produktionsabfällen Wertstoffe. Das gilt auch für unser Technikum, in dem wir unter anderem neue Folien-materialien und dafür geeignete Verarbeitungsprozesse erproben. Die Technikums-Materialien geben wir zu 100 Prozent zum Recycling an die Materiallieferanten zurück – teils im Austausch mit Neumaterial. Gerade bei Kunststoffen plädieren wir für geordnetes Recycling: sie also über geeignete Anwendungen gezielt in den Kreislauf zurückzuführen, statt sie direkt vor Ort Neumaterialien beizumischen.

Welche Lösungen für die Circular Economy bieten Sie Ihren Kunden an?

Wir arbeiten seit Jahren mit unseren Partnern und Kunden intensiv daran, den ökologischen Fußabdruck der Produkte zu reduzieren, die sie auf unseren Anlagen produzieren. Ein Ansatz ist der Einsatz von Monomaterialien. Bei Lebensmittelverpackungen setzt das voraus, dass im Sinne der Haltbarkeit Barriereeigenschaften gewährleistet bleiben, wenn sie aus vollständig recyclebarem ALL-PE oder FULL-PP gefertigt sind. Daneben treiben wir neue Lösungen voran. Etwa dünne Schichten wasserlöslicher Barriere-Polymere, die sich mit unseren modernen Blasfolienanlagen optimal verarbeiten lassen. Später im Wasserbad können diese sortenrein getrennt werden, weil eine Fraktion absinkt und die andere oben schwimmt. Wichtig ist, dass sich solche voll recyclingfähigen Materialien mit unseren Maschinen und Anlagen in der gewohnten Qualität verarbeiten lassen. Bei Monomaterialien ist uns das durch konsequente Weiterentwicklung unserer MDO-(Machine Direction Orientation)-Technologie gelungen. Neben dem Monomaterialansatz treiben wir die Herstellung und Verarbeitung von Folien mit sehr hohem Recyclingmaterialanteil voran. Im Rahmen von CEFLEX setzen wir uns dafür ein, dass bis 2025 in Europa 100 Prozent aller flexiblen Verpackungen gesammelt und 80 Prozent als Regranulat recycelt werden. Es gilt nun, Verfahren und Prozesse dafür zu etablieren. Auf technischer Ebene ist vieles machbar, inklusive der Verarbeitung von Biomaterialien. Doch es mangelt an klassifiziertem Recyclingmaterial in ausreichenden Mengen. Hierfür müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen neu justiert werden, um sortenreine, exakt klassifizierte Stoffströme für ein umfassendes Recycling generieren zu können.

Wie wirkt sich das Thema auf Ihre Forschung und Entwicklung und auf die Kooperation mit Ihren Kunden und Materiallieferanten aus?

W&H deckt den Teil der Prozesskette von der Extrusion über die Weiterverarbeitung bis zum Bedrucken der flexiblen Folien, Gewebe und Papiere ab, in denen von Lebensmitteln über Medizinprodukte, bis Zement so ziemlich alles verpackt wird. Aktuell geht es darum, die Prozesse zu vernetzen und als Gesamtheit zu optimieren. Unser IoT-System RUBY ist die Basis, um die Verpackungsproduktion zu überwachen, automatisieren und datenbasiert zu steuern. Das Zusammenführen und Auswerten der Daten ist zentral, um Materialkreisläufe in der Circular Economy etablieren zu können. Oft sind wir als Maschinenbauer in der Vorreiterrolle, weil wir das nötige Prozessverständnis haben und bei Maschinenlösungen um viele Jahre vorausdenken müssen. Um das volle Potenzial zu nutzen, braucht es aber weltweit Lösungen, um Abfälle zu sammeln und sortieren und sie dem Recycling zuzuführen.

Steigt die Nachfrage nach Ihrer Circular Competence weltweit – oder ist das

International agierende Konzerne nehmen eine Vorreiterrolle ein. Doch in den letzten Jahren nimmt das Umweltbewusstsein weltweit zu. In der Kunststoffbranche aber auch in der Politik laufen Diskussionen heute anders als noch vor wenigen Jahren. Doch in der Umsetzung gibt es noch immer große Unterschiede. Während China der Industrie sehr klare Vorgaben macht, greift das Umdenken in lokalen Märkten Asiens, Afrikas und Südamerikas oftmals noch nicht. Energie- und ressourceneffiziente Produktionsprozesse sind dort leider noch die Ausnahme. Auch funktionierende Abfallentsorgungssysteme fehlen vielerorts. Politische Lösungen und Incentivierungen für eine geordnete Entsorgung sind gefragt, damit Wertstoffe nicht länger in der Umwelt landen. Verpackungen sind gerade in diesen Märkten wichtig, damit Hygiene gewahrt werden kann und Lebensmittel nicht auf dem Weg zu Verbrauchern verderben. Das Problem ist nicht der Kunststoff, sondern die fehlenden Entsorgungs-systeme.

Sind die Rahmenbedingungen für den Einstieg in die Circular Economy richtig gesetzt?

Es fehlt an Klarheit, wie Verpackungen auszusehen haben und welche Materialien darin wie verarbeitet und klassifiziert werden. Für Hersteller und Importeure im europäischen Markt muss es dazu klare Vorgaben geben. Das würde helfen, weil Hersteller aus anderen Erdteilen bei Exporten nach Europa keine billigen Umgehungslösungen mehr nutzen könnten, sondern in moderne, ökologisch dem Stand der Technik entsprechende Maschinen und Verfahren investieren müssten. Auch sind Recyclingmaterialien oft teurer, was ihren Einsatz erschwert. Die EU kann durch klare Vorgaben einiges bewirken und weltweit Hebelkräfte entfalten. Letztlich sind strenge Rahmenbedingungen der Treiber dafür, dass Verpackungshersteller in moderne Technik investieren, mit der sich Mono- und Recyclingmaterialien in der gewohnten Qualität verarbeiten lassen. Der Übergang in die Circular Economy ist ein guter Zeitpunkt, um die Prozessketten zu modernisieren, Maschinen und Hersteller besser zu vernetzen und eine neue Materialbasis zu etablieren. Wir müssen dafür künftig bei jedem Material den genauen Background kennen. Nur so lässt sich verhindern, dass über Recyclingprozesse kontaminierte Materialien in Lebensmittelverpackungen gelangen. Eine funktionierende Circular Economy – die wir uns alle wünschen – braucht klare Regeln.

Text: VDMA e.V. – Druck- und Papiertechnik

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