Grüner Wasserstoff ist ein zentraler Baustein für eine Dekarbonisierung der globalen Wirtschaft und tritt als klimaneutraler Energieträger immer mehr in Erscheinung. Vom 15. bis 18. November nimmt die EnergyDecentral 2022 den Energiesektor als Ganzes in den Blick und zeigt, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen kann – durch einen intelligenten Mix aus regenerativen Energien wie Photovoltaik und Windkraft, kombiniert mit Power-to-X-Technologien und grünem Wasserstoff sowie Biogas.
Die Energiewende findet im Duisburger Hafen statt. Anfang März erfolgte vor Ort der offizielle Startschuss für das neue Duisburg Gateway Terminal (DGT) und damit auch die Umsetzung des Verbundprojekts enerPort II. Es gilt als Modellprojekt für die Zukunft der Logistik und wird mit einer Fläche von 235.000 Quadratmetern im Endausbau das größte Containerterminal im europäischen Hinterland sein. Das mit rund 13 Millionen Euro geförderte Vorhaben leistet einen wichtigen Beitrag für die Energiewende – denn hier wird der Einsatz der Wasserstofftechnologie in der Praxis erprobt.
„Wir werden ein nachhaltiges, wasserstoffnutzendes Energiekonzept umsetzen, das einen hohen Autarkiegrad anstrebt“, fasst Sustainability-Manager Alexander Garbar zusammen. Was der Leiter Unternehmensentwicklung bei duisport damit meint, ist ein Microgrid – ein intelligentes, lokales Energienetz. Im Falle des DGT koppelt und steuert es die erneuerbaren Energien in Gestalt von Photovoltaik- und wasserstoffbasierten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit elektrischen, thermischen Energiespeichern sowie Wasserstoffspeichern und Verbrauchern wie Landstrom, Ladesäulen und Krananlagen. Schlüsselkomponenten dafür sind Brennstoffzellen, Wasserstoffmotoren zur Stromerzeugung sowie Batteriespeicher.
Das Projekt enerPort II steht nicht nur für den Schulterschluss zwischen Forschung, Wirtschaft und Politik, sondern exemplarisch auch für die gelungene Sektorenkopplung. Warum dies so wichtig ist, erläutert Marcus Vagt: „Um künftig alle fossilen Brennstoffe ersetzen zu können, müssen regenerative Energien für den Stromsektor, als auch für Wärme und Verkehr als echte Alternative zur Verfügung stehen. Erst wenn erneuerbare Energien sektorenübergreifend einsatzbereit sind, wird die Energiewende gelingen“, so der Projektleiter der EnergyDecentral. In diesem Szenario spielt neben Biogas vor allem Wasserstoff eine zentrale Rolle. Er gilt nicht zuletzt wegen seiner Vielseitigkeit als vierte Säule der Energiewende und ist Mitte November das Top-Thema auf dem Messegelände. „Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir als Ergänzung zu erneuerbaren Energien, Effizienzmaßnahmen und direkter Elektrifizierung auch grüne Gase wie Wasserstoff und Biogas“, bestätigt Vagt.
Ein Schluss, zu dem auch die Experten von Aurora Energy Research kommen. In einer europaweiten Studie haben sie den Wasserstoffmarkt analysiert und seine Entwicklung bis 2050 modelliert. Demnach dürfte der Bedarf an Wasserstoff in Europa bis 2050 auf 2.500 Terrawattstunden pro Jahr steigen – das wäre achtmal so viel wie heute. Hinzu kommt der Ukraine-Krieg, der das Thema noch einmal stärker in den Fokus rückt. Bereits heute werden rund 60 Terrawattstunden Wasserstoff in Deutschland produziert und verbraucht. Allerdings handelt es sich hierbei überwiegend um grauen Wasserstoff aus Erdgas und lediglich zu etwa fünf Prozent um grünen Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus erneuerbaren Energien wie Wind oder Sonne hergestellt wird.
Erneuerbare Energie umwandeln und speichern
Für eine flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff ist eine dezentrale Herstellung also unumgänglich. Die in Hannover ausstellenden Technologieanbieter arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, die Elektrolyse-Kapazitäten massiv auszuweiten, um neuen P2X-Konzepten zum Durchbruch zu verhelfen. Das Kürzel steht für Power-to-X, dem wichtigsten Instrument zur vollständigen Umstellung von fossilen Brenn- und Treibstoffen auf erneuerbare Alternativen. P2X heißt, grüner Strom wird wahlweise in Kraftstoffe (Power-to-Liquid), in Wärme beziehungsweise Kälte (Power-to-Heat/-Cold) oder in ein Gas (Power-to-Gas) umgewandelt. Die Prozesswärme bei der Rückverstromung des Gases kann dann mittels Kraft-Wärme-Kopplung zur Dekarbonisierung des Wärmesektors beitragen. P2X stellt damit die Brückentechnologien zur Sektorenkopplung sowie zur Etablierung einer Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft zur Verfügung – und: „Je ambitionierter die Klimaziele sind, desto früher wird P2X als Technologie benötigt!“, betont Marcus Vagt.
Der klimaneutrale Wasserstoff kann zu einem kleinen Teil entweder direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden. Oder er wird durch Zugabe von CO2 zu Methan (CH4) veredelt und ist damit in beliebiger Menge kompatibel mit dem Erdgasnetz. In Biogas steht dem Wasserstoff dafür ein wichtiger Partner zur Verfügung. Verfahren zur biologischen oder katalytischen Methanisierung von Kohlendioxid aus dem Biogasprozess stehen deshalb im Fokus der EnergyDecentral, denn neben der Flexibilisierung kann die Bioemethangewinnnung für viele Bestandsanlagen eine Perspektive für die Zeit nach Ablauf der EEG-Vergütung darstellen. Hintergrund: Typischerweise bauen die Bakterien in Biogasanlagen Biomasse unter Ausschluss von Sauerstoff zu Biogas ab, das durchschnittlich aus etwa 60 Prozent Methan und 40 Prozent Kohlendioxid besteht. Während das Biogas in Blockheizkraftwerken Strom und Wärme erzeugt oder aber auf Erdgasqualität aufbereitet ins Gasnetz eingespeist werden kann, entweicht das Kohlendioxid bislang ungenutzt in die Luft.
Aus Kohlendioxid wird grünes Gas
Ein Team um Dr. Christian Bidart am Fraunhofer-Institut für Mikrotechnik und Mikrosysteme IMM will dies ändern und das CO2 mit Hilfe von grünem Wasserstoff in Methan umwandeln. Eine der Herausforderungen, die dabei auf der Agenda stehen, ist der hochdynamische Prozess. Denn die Strommenge, die aus Wind- und Photovoltaikanlagen erzeugt wird, schwankt stark – und damit auch die Menge des grünen Wasserstoffs, der mittels Strom in den Elektrolyseuren aus Wasser gewonnen wird. Die Anlage muss also schnell auf schwankende Mengen an Wasserstoff reagieren können. „Wir arbeiten daran, die Anlage flexibel zu gestalten, um die Speicherung von Wasserstoff möglichst zu umgehen“, sagt Bidart. Dazu gehören unter anderem CO2-Speicher: Denn die Menge an Kohlendioxid, die aus den Biogasanlagen strömt, ist gleichbleibend.
Eine weitere Herausforderung lag in der Entwicklung effizienter Katalysatoren für die Reaktion. Die Forschenden haben dafür eine Mikrobeschichtung aus Edelmetallen verwendet. „Auf diese Weise können wir die Kontaktfläche der Gase mit dem Katalysatormaterial vergrößern und die benötigte Katalysatormenge reduzieren“, so Bidart. Im Reaktionsreaktor der Demonstrationsanlage werden zahlreiche solcher Mikrostrukturen übereinandergestapelt. Sie wandelt einen Kubikmeter Biogas pro Stunde in einen Kubikmeter Methan um, ihre thermische Leistung beträgt zehn Kilowatt. Im Folgeprojekt ICOCAD II wird diese Anlage derzeit auf die fünffache Größe skaliert, also auf eine thermische Leistung von 50 Kilowatt. 2023 soll diese in Betrieb gehen und dann an einer Biogasanlage real getestet werden. Damit ist die Hochskalierung jedoch keineswegs abgeschlossen – schließlich sind die CO2-Mengen, die an den Biogasanlagen entstehen, groß. Bis zum Jahr 2025 plant Bidart eine Hochskalierung auf 500 Kilowatt, bis 2026 soll die Anlage ein bis zwei Megawatt Leistung erzeugen.
Versorgungssicherheit für die Energiemärkte von morgen
Die Bioemethangewinnnung funktioniert also und lässt sich auch reibungslos in eine bestehende Biogasanlage integrieren. Das Beispiel zeigt aber auch: Viele der P2X-Technologien befinden sich noch in einem Forschungsstadium – anders als die etablierten, klassischen Verfahren der Biogasaufbereitung, die mittels Aminwäsche, Druckwasserwäsche oder Membranen den Methangehalt auf bis zu 99 Prozent erhöhen. Aufgabe der nächsten Jahre wird deshalb die Validierung und Implementierung der aussichtsreichsten Power-to-X-Konzepte entlang ihrer Wertschöpfungskette sein. Die Weichen für den Weg in die Wasserstoffwirtschaft werden vom 15. bis 18. November auf der EnergyDecentral 2022 in Hannover gestellt. Die Fachmesse für die dezentrale Energieversorgung bildet vier Tage ein Schaufenster, um sich über die Technologien für die Kopplung von Stromerzeugung, Wärmeversorgung und Mobilität zu informieren.
Text: DLG e.V.