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Long COVID und aktives Altern zählen zu den Top-Themen der 9. MEDICA MEDICINE SPORTS CONFERENCE

by Redaktion

Die weltführende Medizinmesse MEDICA geht in diesem Jahr wieder im Präsenzformat auf dem Düsseldorfer Messegelände an den Start und das gilt auch für die begleitende MEDICA MEDICINE + SPORTS CONFERENCE. Sie gehört sein neun Jahren zu den MEDICA-Programmhighlights und bringt vom 17. – 18. November (Laufzeit MEDICA 2021: 15. – 18. November) wieder international renommierte Sportmediziner, Sportwissenschaftler, Visionäre, Physiotherapeuten, Sport-Techies und Experten zum interdisziplinären Dialog über innovative Ansätze in Prävention, Regeneration und Rehabilitation im Spitzensport und Gesundheitssport zusammen. Die englischsprachige Konferenz ist von der Ärztekammer Nordrhein als Fortbildungsveranstaltung der Kategorie A akkreditiert und findet im Congress Center Düsseldorf (CCD Süd) statt. Zu den Topthemen in diesem Jahr zählen die Sportrückkehr nach einer SARS-CoV-2-Infektion, individualisierte Trainingsprogramme für „Active Ageing“ sowie auch digitale Innovationen für die Sportmedizin. Dem hybriden Veranstaltungskonzept der MEDICA folgend besteht die Möglichkeit der Konferenzteilnahme über ein Ticket für den Präsenzbesuch oder ein Online-Ticket zum Abruf eines Livestreams.

Der Mittwoch, 17. November, startet bei der Konferenz mit der Session zum Thema „Return to sports“ nach einer durchgemachten Corona-Infektion, im Fokus steht das Thema Long COVID. Eine der Betroffenen ist Lena Mikulic. Sie ist deutsche U-21-Vizemeisterin in Karate und stand bereits im Zentrum einer Fernsehdokumentation. Nach einer Corona-Erkrankung mit mildem Verlauf im November 2020 stellte sie fest, dass das Training nicht mehr funktionierte. Bei den Untersuchungen durch Prof. Jürgen Steinacker, Ulm, im März 2021 wurde bei ihr Long COVID diagnostiziert – unter anderem mit einer Myokarditis und einem Herzbeutelerguss. Mikulic und Steinacker werden bei der MEDICA MEDICINE SPORTS CONFERENCE vortragen. Wer glaubt, bei Long COVID handele es sich um eine nicht so gravierende Phantom-Krankheit, liegt falsch. Das stellt Prof. Steinacker im Ausblick auf seinen Vortrag klar. Leistungssportler achteten sehr auf ihren Körper, so Steinacker: „Wir reden hier nicht nur über fünf Prozent Leistungsverlust, sondern das können dreißig bis fünfzig Prozent sein.“ Eine 32-Jährige könne so auf eine Sauerstoffaufnahme einer 50-Jährigen zurückfallen. SARS-CoV-2 ist dabei zwar nicht ganz einzigartig. Steinacker beobachtet „Fatigue“ auch bei anderen Virusinfektionen, allerdings sei diese meist abhängig von der Genetik des jeweiligen Menschen und damit seltener. SARS-CoV-2 ist dagegen in der Lage, breitere Bevölkerungsgruppen zu infizieren und zu schädigen. Experten gehen mittlerweile davon aus, dass 10 bis 20 Prozent der Infizierten an Long COVID erkranken.

Long COVID hat Züge einer Autoimmunkrankheit

Steinacker macht darauf aufmerksam, dass Long COVID Züge einer Autoimmunkrankheit aufweise: Das Immunsystem versucht das Virus zu bekämpfen, greift jedoch letztlich die körpereigenen Zellen an. Zudem wird das Virus bei einem Teil der Patienten auch über längere Zeit festgestellt. Als eine mögliche Ursache für den mitunter schlimmen Verlauf gilt, dass ein typisches Virus-Protein, das Spike-Protein, sehr allergen ist und unter anderem die Makrophagen des Immunsystems hyperaktiviert und die Funktion stört. Resultat ist, dass nicht nur das Herz, sondern auch die Muskeln und das Nervensystem geschädigt werden. Die Lunge ist dagegen bei Long COVID – im Gegensatz zur akuten Krankheit – nicht mehr so stark betroffen.

Es gibt noch keine Standardtherapie

Die Behandlung gestaltet sich komplex. „Es gibt keine Standardtherapie“, führt Jürgen Steinacker aus, sondern es müsse multimodal vorgegangen werden. Die Therapie hat die Entzündung zu begrenzen, sollte antiviral wirksam sein, und umfasst den Einsatz von Immunmodulatoren wie Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren und pflanzlichen Präparaten wie Phytosterolen. Neurologische Komplikationen müssen behandelt werden. Pseudoallergien und Nahrungsunverträglichkeiten und Bauchschmerzen können auftreten: „Der individuelle Medikationsplan umfasst manchmal eine ganze Seite“, fasst Steinacker zusammen. Das Ulmer Institut beteiligt sich an der multizentrischen Kohortenstudie „CoSmo-S“, die die Empfehlungen zum sportlichen Wiedereinstieg nach durchgemachter Infektion mit SARS-CoV-2 präzisieren will. In Ulm allein wurden mehr als 180 Studienteilnehmer aufgenommen – deutschlandweit sind es bereits 1.500 bis 1.800 – und schon allein diese Zahl zeigt, wie sehr die Herausforderung wächst. In Baden-Württemberg wird unter Leitung von Prof. Wienfried Kern aus Freiburg mit Beteiligung von Tübingen, Heidelberg und Ulm die große EPILOC-Studie gestartet bei 50.000 Patienten nach der Infektion, um die Häufigkeit und die Schwere von Long COVID genauer zu erfassen.

„Jeder Leistungssportler muss geimpft sein“

Alles in allem steht für Prof. Jürgen Steinacker fest: „Jeder Leistungssportler muss geimpft sein!“ Das gelte besonders für alle Hallen- und Kontaktsportarten wie Fechten oder Boxen. Wie dramatisch die persönlichen Folgen von COVID-19 sein können, das macht Steinacker an Beispielen deutlich: „Ich betreue Profi-Fußballspieler, die konnten Wochen nach der überstandenen SARS-CoV-2-Infektion gerade mal einen Spaziergang machen.“ Nicht nur für Sportler ist die Erkrankung mit schweren Leistungseinbußen verbunden: „Wenn ein älterer Mensch plötzlich Probleme beim Treppensteigen bekommt, dann wird dies oft als normale Alterserscheinung angesehen.“ Es kann aber auch Long COVID sein – und fatale Folgen für die Lebensqualität des Einzelnen haben.

Prof. Claus Reinsberger, Paderborn, wird in Düsseldorf über die neurologischen Manifestationen wie dem COVID-19 „Brain Fog“ sprechen. Unter diesem Begriff fallen Symptome wie Gedächtnisprobleme, schlechte Konzentration und Konfusion. Neue Erkenntnisse von der Lungenerkrankung bis hin zu den roten Blutkörperchen wird Prof. Wilhelm Bloch, Deutsche Sporthochschule Köln, erläutern.

Olympische Spiele in Zeiten einer Pandemie und danach

COVID-19 hat nicht nur zahlreiche Einzelsportler beeinträchtigt, sondern auch die diesjährigen olympischen Spiele in Tokyo beeinflusst. Prof. Bernd Wolfarth wird als leitender Olympiaarzt des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) in Düsseldorf über Spitzensport in Zeiten der Pandemie bei der Sportmedizinkonferenz sprechen. Er berichtet in Session 2 über die Schlussfolgerungen, die aus Tokyo zu ziehen sind und wie dies die Vorbereitungen auf die olympischen Winterspiele vom 4. bis zum 20. Februar 2022 in Peking beeinflusst.

Unter dem Oberthema „Future Concepts in Sports Medicine“ werden Prof. Wolfarth, Prof. Yannis Pitsiladis, Dr. Lutz Graumann sowie weitere Speaker nicht nur den Rückblick auf Tokyo, sondern auch einen Ausblick auf den Spitzensport im Jahr 2050 und visionäre Spitzensportprojekte wagen – von Mannschaftssportarten wie Eishockey und Fußball bis hin zur Leistungsmedizin der Zukunft. Pitsiladis ist Mitglied der medizinischen und wissenschaftlichen Kommission beim IOC und prägte dieses Jahr den Begriff des “technologischen Dopings”. Dr. Lutz Graumann ist Präsident der International Association of Performance Medicine und medizinischer Koordinator des Deutschen Eishockeyverbands – also ein Fachmann, wenn es um die Zukunft des Eishockeys geht. In der anschließenden „Guided Innovation Tour“ Session werden innovative Produkte mit Relevanz für die Sportmedizin bei einem Streifzug durch die Hallen der MEDICA 2021 vorgestellt.

Individualisierte Trainingsprogramme für aktives Altern

Am Donnerstag, 18. November, fokussiert die MEDICA MEDICINE SPORTS CONFERENCE zunächst das Programm auf die Individualisierung von Trainings- und Bewegungsprogrammen. In der Session „Fit for life – Tailored exercise programs for active ageing and the elderly“ geht es um individualisierte Trainingsprogramme für „Active Ageing“ und ältere Menschen. Prof. Bettina Wollesen, Vizepräsidentin der deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, wird Trainingsinterventionen für die Förderung der kognitiven Leistung vorstellen. Unter ihrer Leitung wurde das Präventionsprogramm für Pflegeeinrichtungen PROCARE durchgeführt, welches sich an Pflegekräfte und Pflegebedürftige richtete. Bereits im Rahmen einer Bedarfsanalyse des Projektes war klar geworden: Vermeintlich kognitiv fitte Heimbewohner ohne Diagnose einer psychischen Erkrankung waren nicht in der Lage, selbständig einen Weg durch die Pflegeeinrichtung zu finden und wussten nicht, wie sie vom Ort der Untersuchung zurück zu ihren Zimmern kommen sollten. Förder- und Interventionsstrategien, die Barrieren berücksichtigen und die Maßnahmen auf die spezifischen Bedürfnisse älterer Erwachsener zuschneiden, könnten Hemmnisse für körperliche Aktivitäten verringern. Wie, das wird Dr. Timo Hinrichs von der Universität Basel aufzeigen.

Einfache Kurzprogramme zur Integration in den Alltag

Welche Übungen besonders wichtig für ein gesundes Altern sind, das erläutern der Orthopäde und Sportmediziner Dr. Christian Schneider und Dr. Thore Haag. Sie sind bekannt als die Fitness-Docs und zeigen, wie jeder durch ein Mindestmaß an Bewegung dem Alterungsprozess entgegenwirken und geistig und körperlich fit bleiben kann. Übungen zur Mobilisierung, Kräftigung und Stabilisierung unterstützen die Grundfitness und beugen Beschwerden vor. Einfache Kurzprogramme sollen es ermöglichen, das Training problemlos in den Alltag zu integrieren. PD Dr. Thomas Sanjay Weber-Spickschen wird aufzeigen, welche typischen Probleme im Alter auftreten und wie man diese therapieren kann bzw. wie ein entsprechendes Training aussehen sollte.

Innovationen für die sportmedizinische Diagnostik

In der Session 5 zu evidenzbasierter Diagnostik werden neue Methoden und Erkenntnisse vorgestellt – vom Herz-MRT über non-invasive Messung von Vital- und Leistungsparametern wie Laktat und Blutzucker, bis hin zu „Wearable Technologies“. Der Fokus der Session 6 liegt auf Leistung, Regeneration und Erholung im Spitzensport. Prof. Alexander Ferrauti wird Ergebnisse und Handlungsempfehlungen für die tägliche Feinjustierung von Monitoring, Trainingssteuerung und Regenerationsmanagement im Tennis-Wettkampfsport aufzeigen. Und Prof. Michael Kellmann ebenfalls am langjährigen BISp-Projekt „Regenerationsmanagement im Spitzensport“ beteiligt, präsentiert Instrumente für die psychologische Bewertung des Erholungs-Stress-Zustands.

In der abschließenden Session 7 werden (am 18. November) digitale Innovationen vorgestellt, von der „smart-watch“-basierten Running App für Läufer, über LED-Patches für die Regeneration, Rehabilitationslösungen für den Tennisbereich, oder neuen Lösungen zur Messung der „Core Stability“.

Quelle: Messe Düsseldorf GmbH
Autor: Dr. Lutz Retzlaff, freier Medizinjournalist (Neuss)

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