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Innovative Diagnostik und KI-Einsatz ermöglichen Individualisierung der Leistungsmedizin, Verletzungsprävention und Therapie

by Redaktion

Hochkarätig besetzte MEDICA MEDICINE + SPORTS CONFERENCE beleuchtet neue Verfahren im Praxis-Check ihres Einsatzes

Im Spitzensport wird auf Schritt und Tritt vermessen mit innovativen Technologien und diagnostischen Verfahren. In der Auswertung der daraus resultierenden Daten kommt zunehmend Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz mit vielen neuen Erkenntnissen für die Individualisierung von Training, Verletzungsprävention, Regeneration oder Rehabilitation. Die 11. MEDICA MEDICINE + SPORTS CONFERENCE behandelt am Mittwoch und Donnerstag, 15. und 16. November 2023, diese Themen im Rahmen der weltführenden Medizinmesse MEDICA (Laufzeit: 13. – 16. November).

Die englischsprachige Konferenz im Congress Center Düsseldorf (CCD Süd) bringt international renommierte Fachleute aus Sportmedizin, Sportwissenschaft, Physiotherapie oder auch Technikspezialisten zum interdisziplinären Dialog über innovative Ansätze in Prävention, Regeneration sowie Rehabilitation im Spitzen- und Gesundheitssport zusammen.

Profi-Fußballer mit implantiertem Defibrillator

Spitzensportlerinnen und -sportler mit chronischen Erkrankungen stehen vor ganz besonderen Herausforderungen. Wie ist Leistungssport für Menschen mit chronischer Erkrankung möglich? Eine Antwort darauf gibt Daniel Engelbrecht. Er wird am Mittwoch, 15. November 2023, ab 13:15 Uhr seine Erfahrung als Fußballprofi mit chronischer Herzerkrankung und implantiertem Defibrillator schildern – wobei das Gerät tatsächlich zwei Mal sein Leben rettete. Wie kann verhindert werden, dass der Defibrillator so zum Einsatz kommen muss? Auf Basis seiner eigenen Erkenntnisse kann Engelbrecht, der u. a. für den VfL Bochum, Alemania Aachen und die Stuttgarter Kickers spielte, Tipps geben, die für Aktive im Profi- und Amateursport und für ihren Betreuerstab wertvoll sein können.

Hockeyweltmeister berichtet über Hochleistungssport mit Diabetes

Profisport kann auch mit der Verkalkung von Herzgefäßen einhergehen, ein Zeichen für ein erhöhtes Risiko beispielsweise für Schlaganfälle. Prof. Benjamin Levine schildert die Sicht des Kardiologen auf den neusten Stand der Forschung. Der Gründer und Präsident des Instituts für Bewegungs- und Umweltmedizin am Texas Health Presbyterian Hospital Dallas forscht insbesondere daran, wie der Kreislauf auf Einflüsse wie das Training oder die Weltraumfahrt reagiert. Dass man als Diabetiker Typ 1 erfolgreich sein kann, das beweist Timur Oruz. Er wurde mit der deutschen Hockey-Nationalmannschaft 2016 Olympiadritter und 2023 sogar Weltmeister. Im Rahmen der Konferenz wird er beschreiben, wie er Trainings- und Wettkampfalltag mit Diabetes managt und welche Erkenntnisse er mit Betroffenen teilen kann. Allerdings gibt es auch Grenzen für Menschen, die Leistungssport betreiben wollen – zum Beispiel bei neuromuskulären Erkrankungen. Wie wichtig dennoch Sport bei Multipler Sklerose ist, das wird Prof. Philipp Zimmer vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der TU Dortmund erklären. Sport ist für viele chronische Krankheiten eine der Möglichkeiten, um Beschwerden und Verlauf signifikant zu verbessern.

Pädiatrische Sportmedizin

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt für 3- bis 17-jährige Mädchen und Jungen mindestens 60 Minuten pro Tag mäßig bis sehr anstrengende körperliche Aktivität. 80 Prozent der Kinder in Deutschland erreichen diesen Wert nicht. Der Bewegungsmangel bei Kindern ist alarmierend. „First of all more sports – but do we really need sports medicine for children?“ („Vor allem mehr Sport – aber brauchen wir wirklich Sportmedizin eigens für Kinder?“), mit dieser Frage wird Dr. Nicole Müller, Oberärztin am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn, die Konferenz-Session 2 am Mittwoch, 15. November 2023, starten. Kinder erholen sich bei gleicher muskulärer Auslastung schneller als Erwachsene und könnten entsprechend „spielend“ bis an ihre körperlichen Grenzen gehen. Das gilt besonders bei kurzen Belastungen, zum Beispiel im Intervalltraining. Gerade bei hochtalentierten jungen Sportlerinnen und Sportlern könnte es jedoch wiederum riskant sein, wenn zu schnell absolute Top-Leistungen erreicht werden sollen – Stichwort „Übermotivation“. „Sporttraining für Kinder und Jugendliche – Talent als möglicher Risikofaktor“ ist der dazu passende Titel des Vortrags von Prof. Ralph Beneke vom Institut für Sportwissenschaft und Motologie der Philipps-Universität Marburg.

Dr. Ruth Löllgen, Astrid Lindgren Kindes-Krankenhaus in Stockholm, wird in Düsseldorf über Sport-Notfälle berichten und wie sie sich gerade bei Kindern verhindern ließen. Wobei Dr. Löllgen betont, dass mögliche Risiken Kinder nicht daran hindern sollten, Sport zu treiben. Bewegungsmangel sei viel schlimmer.

Bewegungsmangel hat sich durch Pandemie verschärft

Großen Handlungsbedarf sieht Prof. Yolanda Demetriou, Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck. Sie zieht den Vergleich des Bewegungsverhaltens von Kindern in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Nationen. Schon vor der Pandemie habe es schlecht ausgesehen, in Folge der Pandemie sei es noch schlechter geworden. Die Sportwissenschaftlerin empfiehlt u. a. als eine Gegenmaßnahme eine Veränderung bei der Bewältigung des Schulwegs, z. B. mit einem Verzicht auf die sogenannten Eltern-Taxis. Kinder sollten dazu animiert werden, mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren.

Wie die Individualisierung von Training in der Praxis idealtypisch aussehen könnte, das wird eine Führung der Konferenzteilnehmenden durch den MEDICA SPORTS HUB verdeutlichen. Auf 150 Quadratmetern in Messehalle 4 können dort innovative Sport- und Gesundheitsgeräte in der Praxis selbst getestet werden – zum Beispiel die von `Skillcourt´. Das Trainingskonzept der Firma zielt darauf ab, neben Kraft und Beweglichkeit auch gezielt das Gehirn anzusprechen. Für Sporttreibende stehen aktuell 40 Tests und Übungen in verschiedenen Leveln zur Verfügung, um gezielt Wahrnehmung, Reaktion, Handlungsschnelligkeit, Beschleunigen, Abbremsen und Richtungswechsel zu trainieren.

Tore schießen dank Künstlicher Intelligenz

Die Performance-Analyse beim Fußball mittels „Big Data“ ist Thema des ersten Konferenz-Vortrags am Donnerstag, 16. November 2023. Klar ist: Im professionellen Fußball müssen beim Scouting und in der Spielanalyse in immer kürzerer Zeit immer mehr Daten verarbeitet und interpretiert werden. Methoden der KI sind daher nicht mehr wegzudenken und werden noch weiter an Bedeutung gewinnen. Auf Basis von Video-, Event- und Positionsdaten haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedene Tools entwickelt und validiert, mit denen sich Sportspieldaten komplett automatisiert, extrem schnell und zuverlässig extrahieren und bewerten lassen. Prof. Daniel Memmert, geschäftsführender Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln, wird einen Überblick geben über das, was bereits möglich ist und eingesetzt wird. Memmert und sein Team beschäftigen sich selbst seit Jahren mit der Analyse sowie Simulation von komplexen Positionsdaten und verarbeiten dabei sehr große Datenmengen, also „Big Data“. Sie haben hierzu theoretische Modelle entwickelt und beurteilt. In Düsseldorf wird Memmert darlegen, wie die KI zur Verletzungsvorbeugung genutzt werden kann.

Zur Verbesserung des Bewegungsverhaltens kann KI ebenfalls einen Beitrag leisten. Welchen, das ist das Konferenzthema von PD Dr. Daniel Link. Er berät die Deutsche Fußball Liga (DFL) im Bereich Sportdaten. Genutzt wird das Wissen bereits, um das Potenzial von Leistungssporttreibenden vorherzusagen – um Verletzungen zu vermeiden, aber auch, um die künftigen Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu erkennen. Welche Erkenntnisse sich bei jungen Athletinnen und Athleten aus objektiven Bewegungstests ziehen lassen, das wird Dr. Max Müller erläutern. Er ist CEO des Unternehmens Moticon, deren Sensorsohlen eine hochgenaue Druckverteilungs- und Kraftmessungen ermöglichen.

Das 3D-humane Muskel-Skelett-Computermodell „Myonardo“ soll dagegen ermöglichen, die Beanspruchung von Knochen, Gelenken, Sehnen und Muskeln bei menschlicher Bewegung exakt zu messen. So lässt sich Bewegung vorhersagen und genau bestimmen, welche Kräfte im Körper wirken. Die Bewegungsanalyse zeigt dann schnell Schwachpunkte von Athleten auf. Damit lassen sich beispielsweise Verletzungen im Training vermeiden. Dies wird Prof. William H. M. Castro, Orthopädisches Forschungsinstitut in Münster und Mitgründer von Predimo, vorstellen.

Psychologie und KI als Bausteine für mehr Leistung

„Was wir von der individuellen Diagnostik und den Interventionen bei Elitesportlern lernen können“, ist Thema des Vortrags von Prof. Markus Raab. Der Leiter der Abteilung Leistungspsychologie am psychologischen Institut der Sporthochschule Köln wird in Düsseldorf erste Ergebnisse des Projektes „in:prove“ vorstellen. Hierbei werden interdisziplinär Daten aus der Physiologie, Bewegungs- sowie Trainingswissenschaften, aus den Sozialwissenschaften und der Psychologie unter Nutzung von KI zusammengeführt. Sieben olympische Spitzenverbände, etwa der Deutsche Eishockey-Bund und Deutsche Turner Bund, sind beteiligt. Raab selbst nimmt dabei unter anderem Unterschiede psychischer Verhaltensvoraussetzungen in den Blick, um Leistungsentwicklungen und hohe Trainingsantworten besser vorhersagen zu können.

Prof. Wilhelm Bloch, Abteilung „Molekulare und zelluläre Sportmedizin“ an der Sporthochschule Köln, und Prof. Sebastian Gehlert, Institut für Sportwissenschaft der Universität Hildesheim, schauen sich insbesondere die Wirkung von Training auf die Muskeln an. Unstrittig ist, das richtiges Widerstandstraining Muskelkraft sowie -spannung verbessert und Gelenke vor Verletzungen schützt. Doch Gehlert schaut sehr viel genauer hin, und zwar auf die Enzyme des Stoffwechsels der menschlichen Skelettmuskulatur, auf das Metabolom. Sogar auf dieser molekularen Ebene ist die Wirkung von Training messbar – und diese Wirkung ist bei trainierten sowie untrainierten Menschen nachweisbar.

Auf Individualisierung setzt auch der Teamarzt des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig. Dr. Robert Percy Marshall wird sein Betreuungskonzept skizzieren, um die RB-Profis unter Berücksichtigung einer ganzheitlichen Herangehensweise optimal zu unterstützen.

Innovationen für die Sportmedizin im „Sharktank“

Vom Innen-Ohr-Sensor zur Messung des Energieverbrauchs (von `cosinuss´) über die Erfassung des Flüssigkeits- sowie Elektrolyt-Verlustes (durch Analyse von `flowbio´) bis zu gedruckten Sensoren für die Muskelaktivität (von `Noxon´): Der „Sharktank“ als Konferenz-Session 6 am Donnerstagnachmittag, 16. November 2023, wird wieder zahlreiche technische Innovationen für Sport und Gesundheit vorstellen. Dazu gehören beispielsweise auch „Internet-of-things“-Lösungen von `eesy-innovation´. Sie können dabei helfen, Wettbewerbsbedingungen realistisch auch an entlegenen Orten der Erde realistisch zu simulieren. Und weil trotz bester Vorbereitung immer auch etwas passieren kann beim Sport, bedarf es dann geeigneter Therapieoptionen. `Summus´ wird diesbezüglich im „Sharktank“ Applikationen für die Lasertherapie (u. a. zur Schmerzreduktion) thematisieren.

Partner dieser internationalen Konferenz im Rahmen der MEDICA sind die größten sportmedizinischen und sportwissenschaftlichen Vereinigungen der Welt, darunter DGSP, dvs, FIMS, EFSMA, EiM (ACSM), EiME, FESI, epsi, Sport Speaker und WT Wearable Technologies.

Die Konferenz ist als Fortbildungsveranstaltung der Kategorie A durch die Ärztekammer Nordrhein akkreditiert.

Autor: Dr. Lutz Retzlaff, Medizinjournalist (Neuss)

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