BVMed schlägt frühere Industrie-Einbindung in Krisenstäben und Pop-Up-Krankenhäuser vor
Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, fordert in einem 5-Punkte-Papier zu „Lehren aus der Corona-Pandemie“ eine bessere Vorbereitung auf künftige Krisen nationaler Tragweite. Dazu gehört aus Sicht der Medizintechnik, die Hersteller von Medizinprodukten und ihre Industrieverbände frühzeitig und regelhaft in die Krisenstäbe der Bundesregierung einzubinden, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Der deutsche MedTech-Verband spricht sich im Rahmen des Krisenmanagements zudem für Pop-Up-Krankenhäuser sowie schnelle personelle Unterstützung durch medizinische Fachkräfte der Bundeswehr und den Freiwilligendienst aus. Um Gesundheitseinrichtungen, Krankenversicherungen und Patient:innen zu entlasten, schlägt der BVMed einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz auf Medizinprodukte von 7 Prozent vor.
„Die Corona-Krise war und ist ein Stress-Test. Unser Gesundheitssystem hat sich im Kern als robust erwiesen. Aber auch Defizite sind deutlich geworden. Wir müssen Lehren aus der Corona-Krise ziehen“, erläutert BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Die Pandemie habe gezeigt, dass Medizinprodukte zu jeder Zeit in ausreichender Menge für medizinische Einrichtungen in Deutschland zur Verfügung stehen müssten. Denn Medizinprodukte sind für die intensivmedizinische Versorgung und für die Regelversorgung der Menschen lebensnotwendig. „Aber sie werden auch zur Überwindung der Krise – kein Impfen ohne Spritzen und Kanülen, kein Schutz ohne medizinische Ausrüstung – millionenfach notwendig gebraucht“, so der BVMed. Auch die Hilfsmittel- und Homecare-Versorger, die ambulant mit Medizinprodukten versorgen, hätten in der Krise ihre Bedeutung zur Entlastung der stationären Strukturen gezeigt.
Um künftige Krisen-Situationen besser zu meistern, fordert der BVMed:
1. Pragmatische Lösungen verstetigen
Die guten Lösungsansätze, die während der Pandemie beispielsweise für die Hilfsmittelversorgung entwickelt wurden, sollten aus Sicht der BVMed beibehalten werden. Unbürokratische und pragmatische Lösungen fordert der BVMed vor allem bei der Umsetzung der neuen Medical Device Regulation (MDR) ein. Benannte Stellen müssten in einer konzertierten Aktion aller beteiligten europäischen Behörden schneller notifiziert werden und über ausreichende personelle Ressourcen verfügen. Für bewährte Bestandsprodukte sollten Lösungen auf Grundlage der klinischen Praxis entwickelt werden. Bei Nischenprodukten („Orphan Devices“) spricht sich der BVMed für „humanitäre Ausnahmeregelungen“ aus.
2. Strategische Souveränität anstreben
Um eine stärkere strategische Souveränität bei versorgungskritischen Medizinprodukten und Arzneimittel aufzubauen, fordert der BVMed den Ausbau einer starken europäischen Forschung und Produktion für Medizinprodukte sowie den Schutz des geistigen Eigentums als Motor für Innovationen. Um den Medizintechnik-Standort Deutschland zu stärken, sollten gezielte Förderprogramme zum Auf- und Ausbau der Produktion versorgungskritischer Medizinprodukte aufgelegt werden.
3. Kostendruck reduzieren
Zur Entlastung von Patient:innen, Gesundheitseinrichtungen und Krankenversicherungen muss aus Sicht des BVMed die Mehrwertsteuer für alle Medizinprodukte einheitlich auf 7 Prozent gesenkt werden. Im deutschen DRG-System spricht sich der BVMed für die Aussetzung des Fixkosten-Degressionsabschlags sowie der Sachkostenabsenkung aus.
4. Krisenvorsorge strukturell stärken
Verbesserungspotenzial sieht der BVMed bei Transparenz und Koordination der Krisenstäbe. Die Medizinprodukte-Industrie sollte frühzeitig und regelhaft in die Krisenstäbe der Bundesregierung eingebunden werden, um Versorgungsengpässe zu vermeiden. In Ergänzung zur Lagerhaltung kritischer Rohstoffe und Güter spricht sich der BVMed für eine digitale Bestandsplattform versorgungskritischer Medizinprodukte aus, um die Tendenz zu massiven Über- und Mehrfachbestellungen in Krisensituationen und die damit verbundenen, intransparenten Verteilungsproblemen künftig zu vermeiden.
Die nationale Krisenvorsorge sollte nach Ansicht des deutschen MedTech-Verbandes in ein europäisches Krisenmanagement eingebettet sein. Dazu schlägt der BVMed beispielsweise vor, Pop-Up-Krankenhäuser für das europäische Krisenmanagement vorzuhalten. Zudem sei eine schnelle personelle Unterstützung in Krisenzeiten durch medizinische Fachkräfte der Bundeswehr und den Freiwilligendienst sinnvoll. Wichtig sei auch, den Zugang zu Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen für die Mitarbeitenden von Medizintechnik-Unternehmen in Krisenzeiten sicherzustellen.
5. Soziale Datenwirtschaft aufbauen
Begleitend zu einem Krisenmanagement sollte der Weg der Digitalisierung im Gesundheitsbereich ausgeweitet werden. „Wir brauchen eine Datenökonomie nach dem Vorbild der Sozialen Marktwirtschaft“, so der BVMed. Dazu gehöre der gleichberechtigten Zugang der Medizinprodukte-Unternehmen zu Forschungsdaten und eine bundeseinheitliche Regulierung des Datenschutzes.
Text: BVMed – Bundesverband Medizintechnologie e.V.