Der Bundesverband Medizintechnologie, BVMed, warnt bei der Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie (SUPD) vor einem nationalen Alleingang Deutschlands. Hintergrund ist, dass der Entwurf der deutschen Einwegkunststoff-Kennzeichnungsverordnung (EWKKennzV) Inkontinenzprodukte mit in die Regelung einbezieht, obwohl Inkontinenzhilfen nicht über die Toilette entsorgt werden können. Die Verordnung wird am 7. Mai 2021 im Bundesrat behandelt. „Inkontinenzprodukte müssen als Medizinprodukte aus der Regelung herausgenommen werden. Umwelt- und Wirtschaftsausschuss des Bundesrates haben hier bereits eine sinnvolle Klarstellung vorgenommen, dass es sich bei den in der Regelung genannten Hygieneeinlagen nur um Binden, nicht um Medizinprodukte wie Inkontinenzprodukte handelt“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.
Zum Hintergrund: Die Europäische Union verfolgt mit der Einwegkunststoff-Richtlinie vom 5. Juni 2019 das Ziel, die Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt zu verringern. Dabei werden problematische Kunststoffprodukte definiert, die achtlos weggeworfen werden, beispielsweise Zigarettenfilter oder Plastiktrinkbecher. Die Gesetzgeber bezogen auch Slipeinlagen und Damenbinden ein, da diese teilweise weiterhin über die Toilettenspülung entsorgt werden. „Das Ziel der Richtlinie wird von uns vollauf unterstützt. Auswirkungen von Kunststoffprodukten auf die maritime Umwelt müssen bestmöglich vermieden werden“, so der BVMed.
Das Problem: Der deutsche Verordnungsentwurf fasst die Kennzeichnungspflicht für „Hygieneeinlagen, insbesondere Binden“ weiter als die EU-Richtlinie und will auch Inkontinenzprodukte einbeziehen. „Die Verordnungsbegründung enthält eine Erweiterung, die gravierende Einschränkungen für den freien Handel in der EU sowie Folgen für Krankenhäuser, Pflegeheime, pflegebedürftige Menschen und für Medizinproduktehersteller von Inkontinenzprodukten mit sich bringen würde“, schreibt der BVMed an Bundes- und Landespolitiker.
Für die Herausnahme von Inkontinenzprodukten aus der deutschen Verordnung sieht der BVMed mehrere Gründe:
- Das Vorhaben schränkt den freien Binnenmarkt innerhalb der EU ein. Der weitergehende Wortlaut der nationalen EWKKennzV im Vergleich zu den Umsetzungen der EU-Richtlinie in sämtlichen anderen Ländern würde aufgrund der globalen Produktions- und Lieferketten dazu führen, dass die das CE-Kennzeichen tragenden und damit per Definition in ganz Europa verkehrsfähigen Produkte fortan für Deutschland abweichend gekennzeichnet werden müssten. In anderen europäischen Mitgliedsstaaten unterfallen Medizinprodukte der Inkontinenzversorgung nicht der zusätzlichen Kennzeichnungspflicht.
- Inkontinenzprodukte dienen – anders als Hygieneprodukte – einem medizinischen Zweck. Sie zählen daher nicht zu den klassischen Hygieneprodukten. Dies wird auch bei den unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen deutlich. Hier hat der Gesetzgeber zwischen medizinischen Inkontinenz- und Hygieneprodukten unterschieden.
- Inkontinenzprodukte können nicht über die Toilette entsorgt werden – aufgrund der Produkteigenschaften und ihrer schieren Größe. Inkontinenzprodukte sind so gestaltet, dass sie bis zu 4 kg Urin bei Vollauslastung aufnehmen können. Das damit verbundene Volumen der Produkte schließt eine Entsorgung über die Toilette aus.
- Die Entsorgung der Inkontinenzprodukte ist bereits über die entsprechenden Landesverordnungen geregelt: Eine Entsorgung durch den Anwender findet über den häuslichen bzw. institutionellen Restmüll statt. Dadurch werden die Produkte vom Wasserkreislauf separiert und sind in der Regel für die thermische Verwertung vorgesehen. Im Bereich der Klinik müssen Einwegartikel, die Patientenkontakt hatten, als Sondermüll entsorgt werden.
- Sollten aufgrund eines nationalen Alleingangs Produktchargen für Deutschland separat produziert werden müssen, gehen die Vorteile aus größeren Produktionsmengenlosen verloren. Die Folge wäre, dass dringend benötigte Produkte für zum Teil schwer pflegebedürftige Menschen teurer werden. Diese steigenden Kosten werden durch die Kostenträger, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und leider zum Teil von den betroffenen Menschen selbst zu tragen sein.
Der Appell des BVMed an Bundesrat und Bundesregierung: „Aufgrund der dramatischen Implikationen auf den freien Warenverkehr sowie die Versorgungssicherheit mit Medizinprodukten muss die EWKKennzV angepasst, die EU-Richtlinie 1:1 umgesetzt und damit Inkontinenzprodukte aus der Regelung herausgenommen werden“, so BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll abschließend.
Text: BVMed – Bundesverband Medizintechnologie e.V.