Die 95 gesetzlichen Krankenkassen haben in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres ein Defizit in Höhe von 776 Millionen Euro erzielt. Die Finanzreserven der Krankenkassen betrugen zum Quartalsende rund 7,6 Milliarden Euro. Dies entspricht 0,3 Monatsausgaben und somit dem Eineinhalbfachen der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve in Höhe von 0,2 Monatsausgaben.
Den Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von 79,5 Milliarden Euro standen Ausgaben in Höhe von 80,2 Milliarden Euro gegenüber. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten verzeichneten bei einem Anstieg der Versichertenzahlen von 0,3 Prozent einen Zuwachs von 7,0 Prozent.
Der durchschnittlich von den Krankenkassen erhobene Zusatzbeitragssatz entsprach Ende März mit 1,7 Prozent genau dem Wert des Ende Oktober 2023 für das Jahr 2024 bekannt gegebenen durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes.
Die Krankenkassen haben im 1. Quartal ein erhebliches Defizit ausgewiesen, weil die Ausgabenentwicklung deutlich an Dynamik gewonnen hat. Auch wenn die Finanzdaten für das erste Quartal mit Blick auf die Gesamtjahresentwicklung noch mit einer gewissen Vorsicht zu betrachten sind, müssen wir diese Entwicklung ernst nehmen. Umso wichtiger ist es nun, dass wir die vielen effizienzsteigernden Strukturreformen im Gesundheitswesen, die wir begonnen haben, weiter zügig voranbringen: Erneut steigen die Kosten im Krankenhaussektor sehr stark. Mit Überkapazität und 30 Prozent Bettenleerstand zeigt sich erneut die Notwendigkeit der Krankenhausreform. Auch die Notfallreform sowie das Gesunde-Herz-Gesetz werden Kosten senken. Diese und weitere Reformen sind zentrale Bausteine, um die GKV-Finanzen mittel- bis langfristig zu stabilisieren, indem wir die Versorgung effizienter gestalten, die Versorgungsqualität erhöhen und unnötige Ausgaben vermeiden.
Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach
Unterschiedliche Finanzentwicklung nach Krankenkassenarten
Die Ersatzkassen erzielten ein Defizit von 314 Millionen Euro, die Ortskrankenkassen von 282 Millionen Euro, die Betriebskrankenkassen von 128 Millionen Euro und die Innungskrankenkassen von 72 Millionen Euro. Die Knappschaft erzielte hingegen einen Überschuss in Höhe von 23 Millionen Euro. Die nicht am Risikostrukturausgleich teilnehmende Landwirtschaftliche Krankenkasse verbuchte ein Defizit von 23 Millionen Euro.
Ergebnis des Gesundheitsfonds
Der Gesundheitsfonds, der zum Stichtag 15. Januar 2024 über eine Liquiditätsreserve von rund 9,4 Milliarden Euro verfügte, verzeichnete im 1. Quartal 2024 ein Defizit von 4,5 Milliarden Euro. Der größere Teil dieses Defizits ist saisonüblich: So fließen die Ausgaben des Gesundheitsfonds als monatliche Zuweisungen in konstanter Höhe an die Krankenkassen, während die Einnahmen unterjährig erheblich schwanken und insbesondere im 4. Quartal aufgrund der Verbeitragung von Jahressonderzahlungen wie dem Weihnachtsgeld höher ausfallen. Ein Teil des Defizits resultiert bereits daraus, dass im Jahr 2024 insgesamt 3,1 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve an die Krankenkassen ausgeschüttet werden, um die Zusatzbeitragssätze der Krankenkassen zu stabilisieren.
Die Beitragseinnahmen (ohne Zusatzbeiträge) stiegen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,3 Prozent. Verantwortlich für die weiterhin gute Einnahmenentwicklung im 1. Quartal sind insbesondere die inflationsbedingt kräftigen Tariflohnsteigerungen.
Entwicklungen bei den Ausgaben
Die Krankenkassen verzeichneten im 1. Quartal 2024 einen sehr dynamischen Zuwachs für Leistungsausgaben und Verwaltungskosten von 7,0 Prozent. Die Leistungsausgaben stiegen dabei um 7,5 Prozent und damit deutlich stärker als in den letzten Jahren. Die Verwaltungskosten verminderten sich um 3,2 Prozent. In absoluten Zahlen stiegen die Leistungsausgaben der Krankenkassen im 1. Quartal um 5,32 Mrd. Euro. Die Verwaltungskosten sanken um 99 Mio. Euro, da rund 193 Mio. Euro weniger Altersrückstellungen als im Vorjahresquartal gebucht wurden. Der Anstieg der Verwaltungskosten ohne Altersrückstellungen betrug im 1. Quartal 3,2 Prozent.
Die Ausgaben für Krankenhausbehandlungen sind im 1. Quartal um 8,5 Prozent bzw. 1,94 Milliarden Euro gestiegen und stellen damit einen maßgeblichen Treiber der hohen Ausgabendynamik dar. Neben einer sehr dynamischen Preiskomponente (die sich aus dem Orientierungswert für die Kosten der Krankenhäuser und der Grundlohnrate ergebenden Veränderungswerte für DRG und PEPP betragen für 2024 mehr als 5 Prozent) und steigenden Fallzahlen sind insbesondere die Pflegepersonalkosten im 1. Quartal mit rund 10,5 Prozent bzw. 510 Millionen Euro erneut äußerst dynamisch gestiegen. Mit Blick auf die gewünschte Ambulantisierung ist anzumerken, dass die Aufwendungen für ambulante Operationen im Krankenhaus kräftig um rund 50 Prozent (+89 Mio. Euro) gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen sind.
Die Aufwendungen für die Versorgung mit Arzneimitteln stiegen ebenfalls dynamisch um 9,1 Prozent bzw. 1,12 Milliarden Euro im 1. Quartal an. Hierbei ist zu beachten, dass die Entwicklung in besonderem Maße vom Auslaufen des in 2023 einmalig erhöhten gesetzlichen Herstellerabschlags von 7 auf 12 Prozent durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geprägt ist. Im 1. Quartal 2024 sanken die zugunsten der GKV gewährten Rabatte um rund 250 Millionen Euro. Unter Herausrechnung des Rabatteffekts stiegen die Ausgaben für Arzneimittel im 1. Quartal um rund 875 Mio. Euro – das entspricht einem Anstieg von rund 7 Prozent. Dynamisch entwickeln sich auch die Aufwendungen für Arzneimittel im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung, die einen Zuwachs von rund 221 Mio. Euro (entspricht +54 Prozent) gegenüber dem Wert des Vorjahresquartals aufweisen.
Die Ausgaben für ambulant-ärztliche Behandlungen sind im 1. Quartal um 4,7 Prozent bzw. 558 Millionen Euro gestiegen. Dabei entwickeln sich die Aufwendungen für ambulante Operationen mit einem Wachstum von rund 10 Prozent bzw. 61 Millionen Euro dynamischer als der Gesamtbereich. Auch die Aufwendungen für extrabudgetäre psychotherapeutische Leistungen stiegen überdurchschnittlich (+7,7 Prozent bzw. +66 Millionen Euro). Bei der Interpretation der Aufwüchse ist zu berücksichtigen, dass die Buchungen im ärztlichen Bereich von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten für den betrachteten Zeitraum noch nicht oder nur teilweise vorliegen.
Die Aufwendungen für zahnärztliche Behandlungen (ohne Zahnersatz) stiegen um 5,3 Prozent bzw. 180 Millionen Euro. Während die Ausgaben für den Teilbereich der Parodontalbehandlungen aufgrund von Leistungsverbesserungen um rund 15 Prozent bzw. 50 Millionen Euro gestiegen sind, ist die im zahnärztlichen Bereich insgesamt mit dem GKV-FinStG geregelte Begrenzung des Anstiegs der Gesamtvergütung in den vorläufigen Rechnungsergebnissen der Krankenkassen noch nicht erkennbar.
Stark gestiegen sind die Ausgaben im Bereich der Schutzimpfungen sowie bei Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen (jeweils 13,0 Prozent). Letztere wiesen nach den pandemiebedingten Einbrüchen der vergangenen Jahre schon seit 2022 eine überdurchschnittliche Dynamik auf. Dynamisch entwickelten sich im Bereich Rehabilitation und Vorsorge neben den stationären Rehabilitationsleistungen insbesondere auch die medizinische Vorsorge für Mütter und Väter.
Endgültige Jahresrechnungsergebnisse für 2023
Nach den endgültigen Jahresrechnungsergebnissen für 2023 erzielten die gesetzlichen Krankenkassen im vergangenen Jahr ein Defizit von rund 1,89 Milliarden Euro. In den vorläufigen Rechnungsergebnissen für das 1. bis 4. Quartal haben die Krankenkassen ein ähnliches Defizit von 1,87 Mrd. Euro ausgewiesen. Zu berücksichtigen ist hierbei die von den Krankenkassen an den Gesundheitsfonds zu leistende Vermögensabgabe in Höhe von rund 2,5 Milliarden Euro. Auch der Anstieg der Ausgaben hat sich mit 5,1 Prozent gegenüber den vorläufigen Rechnungsergebnissen (+5,0 Prozent) kaum verändert.
Weitere Entwicklung
Bei der Interpretation der Daten des 1. Quartals ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Ausgaben in vielen Leistungsbereichen, insbesondere bei Ärzten und Zahnärzten, von Schätzungen geprägt sind, da Abrechnungsdaten häufig noch nicht oder nur teilweise vorliegen. Daher sind die Rechnungsergebnisse des 1. Quartals noch mit Vorsicht zu interpretieren. Zudem konnten in Folge des Cyberangriffes auf einen großen IT-Dienstleister im GKV-System im Frühjahr 2023 für einzelne Kassen und einzelne Leistungsbereiche die Abrechnungen in den Rechnungsergebnissen des 1. Quartals des Vorjahres nicht in gleichem Umfang wie in diesem Jahr in der Erstellung der vorläufigen Rechnungsergebnisse berücksichtigt werden. Die Finanzergebnisse für das 1. Halbjahr 2024 werden Ende August vorliegen.
Text: Bundesministerium für Gesundheit (BMG)