Dr. Andreas Pleßke, neuer Vorstandssprecher der Koenig & Bauer AG, erklärt warum Nachhaltigkeit so hohe strategische Bedeutung hat und wie sie von Finanzmärkten und der umweltbewussteren Jugend gepusht wird.
In der Interviewreihe „Circular Competence“ befragt der VDMA Fachverband Druck- und Papiertechnik seine Mitgliedsunternehmen zu ihren Plänen, Lösungen und Herausforderungen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Was kann die Branche dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck von Verpackungen und anderen Druckerzeugnissen zu minimieren?
Nachhaltigkeit ist bei der Koenig & Bauer AG Chefsache. Im Interview erläutert der neue Vorstandssprecher des Druckmaschinenbauers, Dr. Andreas Pleßke, warum das Thema so hohe strategische Bedeutung hat und wie es von Finanzmärkten und der umweltbewussteren Jugend gepusht wird.
Herr Dr. Pleßke, als neuer Vorstandssprecher der Koenig & Bauer AG haben Sie auch die Leitung des Ressorts Nachhaltigkeit übernommen. Warum?
Wir haben uns auch davor schon ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Aber bei der Neuverteilung der Aufgaben Anfang 2021 haben wir uns intensiv mit der künftigen strategischen Ausrichtung unseres Geschäftsmodells befasst. Dabei haben wir Nachhaltigkeit als Schlüsselthema ausgemacht. Wir bauen eine neue, konzernweite Abteilung mit guter personeller Ausstattung auf und verstärken auch unsere Kommunikation. Das Thema Nachhaltigkeit rückt in eine neue Gewichtsklasse auf. Es geht um Anstand im Umgang mit der Umwelt und den natürlichen Ressourcen. Zudem haben sich die Randbedingungen verändert. Nachhaltigkeit ist in gesellschaftlichen Diskursen zunehmend präsent, mit dem European Green Deal nehmen die regulatorischen Anforderungen zu – und von einer USA-Reise habe ich jüngst den Eindruck mitgenommen, dass unsere Kunden dort die klare Erwartung an uns haben, dass wir sie darin unterstützen, ihre Produktion umweltverträglicher zu gestalten.
Haben sie Gründe dafür genannt?
Sie begründen es einerseits damit, dass der Kapitalmarkt im Zuge des Risikomanagements immer genauer prüft, ob Investments nachhaltig und damit zukunftsfähig sind. Echte Bemühungen um nachhaltige Prozesse werden dadurch zum Erfolgskriterium für Finanzierungen. Doch auch unsere US-Kunden, die ausschließlich mit Eigenkapital arbeiten, räumen Nachhaltigkeit höchste Priorität ein und verweisen auf das veränderte Bewusstsein der jungen Generation, die sich in sozialen Medien genau informiert. Ich habe in vielen Gesprächen gehört, dass der Erfolg eines Produkts in Zukunft damit steht und fällt, wie nachhaltig es verpackt ist. Der Trend ist klar: mehr nachwachsende Rohstoffe und mehr Recycling. Die Verpackungsdiskussion wird eine noch größere Rolle spielen. Wir sind gut beraten, uns darauf vorzubereiten, indem wir unsere Maschinen und Prozesse auf maximale Ressourceneffizienz trimmen. Nur so können wir die klaren Kundenerwartungen erfüllen und im Idealfall übertreffen.
Ressourcenbedarf zu verdoppeln. Was tun Sie in Ihrer eigenen Produktion dagegen?
Den größten Fußabdruck hinterlässt der Energieverbrauch, zumal Koenig & Bauer eine eigene Gießerei betreibt. Dort investieren wir in moderne energieeffiziente Öfen, um den CO2-Ausstoß zu senken. Unsere Hallen beleuchten wir mit LEDs. Aktuell prüfen wir den Einstieg in die eigene nachhaltige Stromversorgung mit Photovoltaikanlagen oder einem Blockheizkraftwerk. Unsere Metallverarbeitung hat – schon allein aus Kostengründen – ein Höchstmaß an Recycling etabliert. Auch alle anderen Betriebsstoffe werden bei uns sortenrein getrennt und, soweit irgend möglich, recycelt.
Den größeren Hebel zum Ressourcenschutz bieten Ihre Produkte. Wie nachhaltig ist Ihre Drucktechnik?
Es beginnt damit, dass unsere Maschinen 24/7 an 365 Tagen im Jahr laufen können. Je besser eine Maschine ausgelastet ist und je seltener sie nach Neustarts auf Prozessgeschwindigkeit hochgefahren werden muss, desto geringer ist der Energie- und Ressourcenbedarf. Der Markttrend zu kleineren Druckjobs mit ständigen Neustarts ist eher kontraproduktiv. Wir kompensieren das zumindest teilweise durch effizientere Antriebstechnik, regelmäßige Wartungen und gezielte Trainings für Maschinenbediener. Wichtiger ist der Materialeinsatz. Unsere Maschinen bedrucken bis auf Textilien nahezu alle Substrate: Papier, Karton, Wellpappe, Glas, Metall, Kunststoffe sowie Folien aus Natur-, Kunst- und Verbundstoffen. Unsere Prozesse haben großen Einfluss auf deren Verbrauch. Gemittelt bedruckt eine typische Mittelformat-Offset-Bogendruckmaschine im Verpackungsdruck jährlich fast 9 000 Tonnen Papier mit 500 Tonnen Farbe – wohlgemerkt eine einzige Maschine. Steigern wir ihre Effizienz nur um wenige Prozent, ist die Hebelwirkung enorm. Es gelingt uns immer besser, die Anlaufmakulatur zu minimieren, was wegen der Vielzahl der Jobwechsel große Einspareffekte bringt. Auch treiben wir Lösungen voran, um mit reduziertem Farbverbrauch Höchstqualität zu erreichen. Und dass unsere Maschinen fast ausschließlich wasserbasierte, lebensmitteltaugliche Lacke nutzen, senkt den Strombedarf für die Trocknung um 30 Prozent – zumal unsere Trocknungsprozesse die Heißluft zweimal nutzen.
Das klingt nach intensiver Forschung und Entwicklung für mehr Ressourceneffizienz.
Das ist seit Langem das treibende Thema. So haben wir für unsere Bank- noten-Druckmaschinen, die im Prozess teils Wärmezufuhr und teils Kühlung brauchen, eine Thermoregulierung realisiert, die das Heizen und Kühlen intelligent verknüpft. Würden allein unsere Kunden in diesem Markt diese Power- Safe-Lösung konsequent einsetzen, liefe das auf 45 000 Tonnen CO2-Einsparung jährlich hinaus. Weitere 10 000 Tonnen sind durch konsequenten Einsatz von UV-LEDs zu holen. Dass ich Ihnen diese Zahlen nennen kann, ist übrigens eine erste Folge der neuen Taxonomie-Regeln der EU. Wir müssen uns nun intensiver damit befassen, was beim Kunden mit unseren Maschinen passiert.
Inwieweit stimmen Sie Ihre F&E-Themen mit Anwenderbranchen ab?
Wir haben einen Strategieprozess aufgesetzt, an dem neben unserer direkten Kundschaft auch globale Brandowner und Verpackungshersteller beteiligt sind, mit denen wir nicht direkt zusammenarbeiten. In Gesprächen erörtern wir ihre Sicht auf die Megatrends im Verpackungsmarkt. Davon ausgehend setzt unsere neue Strategie „Exceeding Print“ auf drei Säulen auf: Nachhaltigkeit, Modularität, Digitalisierung. Unser Engineering ist darauf ausgerichtet, unsere Kundschaft optimal beim Erreichen ihrer Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. Dafür etablieren wir im Zusammenspiel von Inspektion im Druckprozess sowie KI-optimierter Steuerung und Farbsättigung geschlossene Regelkreise, die sich im Prozess nachjustieren. Je besser es uns gelingt, solche Lösungen zu modularisieren, desto schneller können wir sie in die Märkte bringen. Nicht nur unsere Kundschaft in den USA verlangt ressourceneffiziente, nachhaltige Lösungen: Die globale Druck- und Verpackungsindustrie nimmt die gesellschaftliche Herausforderung an – und investiert nun zunehmend in nachhaltige Lösungen.
Sollten Gesetzgeber ressourceneffiziente Technologien zusätzlich fördern?
Zwei Herzen schlagen in meiner Brust: Der Politik fehlt es naturgemäß an tiefem fachlichem Einblick in die Märkte. Sie sollte daher – wenn überhaupt – technologieoffen fördern und regulieren. Hier spreche ich auch aus Eigeninteresse, weil Koenig & Bauer fast alle Substrate und Prozessschritte abdeckt. Käme es zu Eingriffen, würde uns das fast sicher an der einen oder anderen Stelle treffen. Das andere Herz erkennt an, dass es auch positiven Einfluss auf die Märkte haben kann, wenn sich die Politik auf klare Rahmenbedingungen verständigt und Effizienz technologieoffen fördert. Die viel kritisierte EU-Abgasgesetzgebung hat sich im Rückblick als Erfolgsmodell erwiesen. Doch für global agierende Unternehmen ist es ausgesprochen kompliziert und belastend, wenn in unterschiedlichen Märkten unterschiedliche Rahmenbedingungen zu erfüllen sind. Das treibt die Kosten in unserer ohnehin sehr kostensensiblen Branche. Fazit: Es braucht Augenmaß und möglichst weitgehende Harmonisierung.
Text: VDMA e.V. – Druck- und Papiertechnik