In der Interviewreihe „Circular Competence“ befragt der Fachverband Druck- und Papiertechnik die Leonhard Kurz Stiftung zu ihren Plänen und Lösungen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft.
Dr. Markus von Beyer, Head of Environmental, Health, Safety & Sustainability-(EHS&S) Management der LEONHARD KURZ Stiftung & Co. KG in Fürth, erläutert im Gespräch die Umwelt- und Nachhaltigkeitsstrategien des Familienunternehmens.
Nutzen Sie in Ihrer eigenen Produktion Kreislauf- und Müllvermeidungs-konzepte?
KURZ beschäftigt sich seit langem mit Abfallreduktion und Kreislaufwirtschaft. Je weniger Abfall in der Fertigung anfällt, desto geringer der Ressourcen-einsatz, desto weniger Material müssen wir einkaufen und desto geringer ist der Entsorgungsaufwand. Zudem nutzen wir in der Produktion zurückgewonnene Lösemittel zu Reinigungszwecken und anstelle von Erdgas zur Wärmeerzeugung. Und natürlich setzen wir die Gewerbeabfall-Verordnung um. Dabei ist sortenreine Erfassung im eigenen Interesse: Je schlechter Abfall sortiert ist, desto teurer ist die Entsorgung.
Welche Lösungen für die Circular Economy bieten Sie Ihren Kunden an?
Zunächst als Hintergrund: KURZ ist Systemanbieter von Dekorations- und Funktionslösungen, die unter anderem per Heiß- und Kalttransfer auf unterschiedlichste Substrate aufgebracht werden. Wir sind entlang der gesamten Wertschöpfungskette aktiv, von der Entwicklung der Lacke, die wir µm-dünn auf Trägerfolien aufbringen, bis zum Bau der Applikationsmaschinen und der Bereitstellung von Servicedienstleistungen.
Unser wesentlicher Beitrag zur Circular Economy ist es, dass unsere µm-dünnen Dekorations- und Funktionsschichten mit minimalem Materialeinsatz maximale Wirkung erzielen. Studien mit Instituten und Recyclingorganisationen belegen, dass mit unseren Lösungen veredelte Papiere und Verpackungen in etablierten Recyclingprozessen keine Probleme verursachen. Gleiches gilt für Kunststoffteile, die mit unseren Folientransferprozessen dekoriert werden. In Technical Approvals haben wir das für Veredelungsverfahren wie unser InLine-Foiling oder den Kalttransfer nachgewiesen. Bei Zierleisten und Kühlergrills von modernen Fahrzeugen, die per Inmould-Dekoration (IMD) mit Dekor- und Funktionsschichten versehen werden, ist das Recycling ebenfalls gewährleistet.
Welchen Effekt hat das?
Sichtflächen von Bauteilen aus recyceltem Kunststoff lassen sich im IMD-Verfahren erneut hochwertig, ohne optische und funktionale Nachteile dekorieren. KURZ-Dekorationen dienen so der Aufwertung recycelter Materialien. Darüber hinaus treiben wir Recyclinglösungen für unsere Trägerfolien voran. Sie lassen sie aus recycelten PET-Flaschen herstellen, was derzeit einen Nachteil hat, da Recyclingmaterial teurer ist als Neumaterial. Da die Recyclingquoten bei PET-Produkten steigen und immer mehr Länder Pfandsysteme dafür einführen könnte sich das aber bald ändern. Bei Löse- und Bindemitteln und anderen Rohstoffen suchen wir ebenfalls recycelte oder biobasierte Materialien. Vor allem aber investieren wir seit Jahren viel Zeit und Geld in die Entwicklung eines eigenen Recyclingprozesses für PET-Trägerfolien. Heute können wir daraus Faserrohstoffe oder Chips für die Filmherstellung gewinnen. Wir forschen und entwickeln intensiv weiter, um für die Folien einen echten Materialkreislauf zu etablieren. Begleitend analysieren wir den ökologischen Fußabdruck. Wäre das Recycling am Ende energie- und rohstoffintensiver als der Prozess mit Neumaterial, wäre nichts gewonnen. Es geht uns um tragfähige Zukunftslösungen, nicht um grünes Marketing. Das heißt in Bezug auf unsere Produktions- und Recyclingprozesse unter anderen, dass sie im Sinne kurzer Wege möglichst dezentral in Kundennähe erfolgen.
Wie wirkt sich das Thema auf Ihre Forschung, Entwicklung und Kooperationen mit Kunden, Markeninhabern sowie Materiallieferanten aus?
Die Zusammenarbeit wird seit Jahren enger. Circular Economy setzt voraus, dass sich Akteure entlang der Wertschöpfungsketten und Materialkreisläufen abstimmen. Jeder muss in seinen Prozessen Bedürfnisse und Anforderungen aller anderen berücksichtigen. Und um aus bisher linearen Prozessen Kreisläufe zu formen, gilt es, Schnittstellen neu zu definieren. Wir müssen wissen, was unsere Materialzulieferer tun, wie die Prozesse unserer Kunden laufen und was mit Blick auf funktionierende Recyclingprozesse zu beachten ist. Um uns auf Augenhöhe mit verschiedensten Akteuren der Wertschöpfungskette auszutauschen, Erkenntnisse mit ihnen zu teilen oder Designrichtlinien für recyclingfähige Produkte und Verpackungen zu schaffen, wirken wir in Verbänden, Initiativen und Plattformen mit. Die Transformation hin zur Circular Economy ist ein aufwändiger, kommunikations- und beratungsintensiver Prozess, in dem wir unseren ökologischen Fußabdruck entlang der gesamten Lieferkette systematisch reduzieren.
Steigt die Nachfrage nach Ihrer Circular Competence eher regional – oder weltweit?
Das kommt darauf an: Global agierende Markenhersteller stellen heute überall die gleichen Anforderungen. Sie treiben ihre Nachhaltigkeitsstrategien weltweit voran und machen keine lokalen Ausnahmen. Aber es gibt in mancher Region lokal agierende Kunden, die noch nicht so weit sind und ihre Materialkreisläufe noch nicht geschlossen haben. Allerdings spüren wir spätestens seit der Coronakrise einen Bewusstseinswandel hin zu nachhaltigem Handeln, das von Daten und Fakten statt Marketingfloskeln getrieben ist. Kunden verlangen Nachweise, Zertifikate und drittgeprüfte Zahlen. Damit steigt der Aufwand – aber das ist in diesem Fall begrüßenswert, weil ernst gemeinte Bemühungen glaubwürdiger werden.
Umweltschutz ist oft regulatorisch getrieben. Sind die Rahmenbedingungen für den Einstieg in die Circular Economy richtig gesetzt?
Das Maß der notwendigen Regulierung hängt auch von der Gesellschaft ab. So funktioniert das Recycling beispielsweise in der Schweiz ohne Pfandsystem, während das Bewusstsein für Abfall als Wertstoff im asiatischen Raum ganz anders ist. Dort landet Müll auf Deponien oder in Flüssen und Meeren. Um die Klima- und Umweltziele zu erreichen, sind sowohl gesetzliche Vorgaben als auch individuelle und unternehmerische Verantwortung gefragt. Umweltschutz verursacht oft initiale Kosten, senkt aber danach durch eingesparte Energie und Ressourcen laufende Kosten. Regularien liefern oftmals den nötigen Impuls, um die Kostenhürden am Anfang zu überwinden. Für faire Wettbewerbsbedingungen braucht es international harmonisierte Regelwerke. Gerade hier gibt es auf dem Weg in die Circular Economy noch viel zu tun.
Text: VDMA e.V.