Der wiedergewählte IG BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger macht Vorschläge, die Krisen-Belastungen abzufedern.
„Das Wohnungsdefizit wird Ende des Jahres einen traurigen Spitzenwert erreichen, dann werden in Deutschland weit über 700.000 Wohnungen fehlen.“ Das hat der wiedergewählte Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt Robert Feiger auf dem 23. Gewerkschaftstag prophezeit. Er stützt sich dabei auf Berechnungen des Pestel-Instituts Hannover. Mangelware seien vor allem bezahlbare und Sozialwohnungen. So schmelze der Bestand an Sozialwohnungen regelrecht weg: Rein rechnerisch sei im vergangenen Jahr alle 19 Minuten eine Wohnung verschwunden, nur alle 25 Minuten käme eine neue hinzu. „Es ist paradox: Deutschland erreicht eine neue Talsohle beim sozialen Wohnen, und das bei einem Zuwanderungshoch!“
Feiger fordert deshalb, dass der Staat – gerade jetzt in der Krise – bei der Schaffung von sozialem und bezahlbarem Wohnraum nachlegt. Das könne durch Neubau, Umbau von Gewerbeimmobilien – vor allem Büroraum – oder Dach-Aufstockungen gelingen. Auf jeden Fall müsse die Bundesregierung an ihrem Ziel, dem Bau von 400.000 Wohnungen im Jahr, davon 100.000 Sozialwohnungen, festhalten. „Mehr günstige Mietwohnungen auf dem Markt dämpfen die Mieten, und verstärkter Wohnungsbau kurbelt auch noch die Konjunktur an. Ein zweifacher Gewinn!“ Aufpassen müsse man auch darauf, dass man nicht in eine Situation komme, in der Bauarbeiter*innen aufgrund fehlender Aufträge wieder nach Hause geschickt werden müssten. „Wenn sie mal weg sind, kommen sie nicht wieder. Die Gastronomie kann ein Lied davon singen“, sagt der IG BAU-Chef.
Nach weiteren Berechnungen des Pestel-Instituts liegt die Zahl der armutsgefährdeten Menschen in Deutschland bei gut 13 Millionen, davon etwa 3,6 Millionen Seniorinnen. Vor allem sie sind von den drastischen Steigerungen der Kaltmiete betroffen. „Bei den Beschäftigten wird es in erster Linie diejenigen treffen, die zu einem Niedriglohn arbeiten. Aber auch die Facharbeiterin oder der Facharbeiter sind nicht davor gefeit“, sorgt sich Feiger. Deshalb brauche es eine Soforthilfe, 500 Euro für alle Beschäftigten, Empfängerinnen von Grundsicherung, Rentner, Azubis und Studierende fordere der DGB, 100 Euro zusätzlich für jedes Kind. Die IG BAU werde sich dafür einsetzen, dass die steuer- und sozialabgabefreien 3000 Euro, die jetzt in aller Munde seien, mit den Arbeitgebern auch ordentlich ausgehandelt würden. Und wer Mitglied in der Gewerkschaft ist, habe gute Chancen, einen Extra-Bonus zu bekommen.
„Wichtig in dieser Krisenzeit ist aber auch, dass ausgehandelte oder gesetzlich festgeschriebene Mindestlöhne auch gezahlt werden“, sagt der IG BAU Bundesvorsitzende vor dem Hintergrund, dass in drei Tagen der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro steigt. Er zählt auf: In der Landwirtschaft kommt rein rechnerisch alle 90 Jahre (!) ein Beschäftigter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit vorbei, im Forst sind es über 25 Jahre, auf dem Bau über 20 Jahre und in der Gebäudereinigung über 15 Jahre. „Manche Betriebe sind solange nicht einmal am Markt!“ Rund sechs Millionen Menschen werden von dem neuen Mindestlohn profitieren, hinzukommen Geflüchtete, überwiegend aus der Ukraine. Die IG BAU fordert deshalb eine Verdopplung der Kontrolleure auf 16.000. „Erst dann liegt das Prüfrisiko bei zehn Prozent. Und selbst wenn nur alle zehn Jahre mit einer Prüfung zu rechnen ist, wird es noch einige schwarze Schafe unter den Arbeitgebern geben, die das Risiko eingehen und ihre Beschäftigten mit einem Lohn abspeisen, der den Namen nicht einmal verdient“, so Feiger abschließend.
Text: Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)