- Große Mehrheit sieht Künstliche Intelligenz als Chance, aber nur 9 Prozent setzen KI ein
- Berg: „Viele Unternehmen sind gezwungen, in einen Krisenmodus zu schalten“
- Jedes zehnte Unternehmen will 2023 in KI investieren
Unternehmen in Deutschland erkennen vor allem Chancen im Einsatz von Künstlicher Intelligenz und sehen verglichen mit dem Vorjahr mehr Vorteile beim Einsatz der Technologie – zugleich steigt der Anteil der Unternehmen, die KI im Einsatz haben, nur sehr langsam. Beklagt werden vor allem ein Mangel an Fachkräften und Daten. Das sind Ergebnisse einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die 606 Unternehmen ab 20 Beschäftigten aus allen Branchen in Deutschland befragt wurden.
Demnach sehen 18 Prozent KI weit überwiegend als Chance für das eigene Unternehmen, 47 Prozent eher als Chance. Nur 20 Prozent sehen KI eher als Risiko, gerade einmal 1 Prozent weit überwiegend als Risiko. Allerdings geben nur 9 Prozent an, KI selbst einzusetzen. Vor einem Jahr waren es 8 Prozent. Zugleich sagen nur noch 25 Prozent, sie diskutieren oder planen den KI-Einsatz. Vor einem Jahr waren es noch 30 Prozent, vor zwei Jahren aber nur 22 Prozent. Der Anteil der Unternehmen, für die KI kein Thema ist, steigt von 59 auf 64 Prozent. „Viele Unternehmen sind gezwungen, in einen Krisenmodus zu schalten: Steigende Energiekosten und hohe Inflationsraten sowie unterbrochene Lieferketten als Folge von Corona-Pandemie und dem Krieg gegen die Ukraine setzen der Wirtschaft zu. Da bleibt wenig Raum, an neue Technologien und Geschäftsmodelle für die Zukunft zu denken“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Künstliche Intelligenz ist aber eine Schlüsseltechnologie, die praktisch überall zum Einsatz kommt – ob in der Automobilbranche, im Maschinenbau oder im Dienstleistungsbereich. Wichtig ist, dass wir in Deutschland Zugang zu für KI notwendige Daten ermöglichen und erleichtern und der Datennutzung nicht ständig neue Steine in den Weg legen.“
Vor allem große Unternehmen nutzen Künstliche Intelligenz
Aktuell ist der KI-Einsatz vor allem eine Frage der Unternehmensgröße. Unter den Unternehmen mit 20 bis 99 Beschäftigten setzen nur 5 Prozent KI ein, bei denen mit 100 bis 499 sowie 500 bis 1.999 Beschäftigten sind es dagegen 18 Prozent. Und fast jedes zweite Unternehmen (48 Prozent) mit 2.000 oder mehr Beschäftigten nutzt bereits KI. Während das Gros der Unternehmen beim Einsatz noch zurückhaltend ist, sehen nur 3 Prozent keine Vorteile von KI in Unternehmen. Vor allem schnellere und präzisere Problemanalysen (52 Prozent) sowie beschleunigte Prozesse (43 Prozent) und ein geringerer Ressourcenverbrauch (39 Prozent) werden hervorgehoben. Aber auch im Personalbereich werden Vorteile gesehen, etwa die Vermeidung menschlicher Fehler (38 Prozent) und die Möglichkeit, durch KI Expertenwissen ins Unternehmen zu holen (36 Prozent). 26 Prozent sagen, durch KI könnten sich Beschäftigte auf andere Aufgaben konzentrieren. KI kann aber auch einen Beitrag für das Geschäftsmodell liefern. 46 Prozent sehen allgemein eine gestärkte Wettbewerbsfähigkeit durch KI, 27 Prozent erwarten verbesserte und 21 Prozent völlig neue Produkte oder Dienstleistungen mit Hilfe von KI. Kostensenkungen nennen dagegen nur 11 Prozent als einen Vorteil von KI. Berg: „Unternehmen sollten die Möglichkeiten von KI für neue oder verbesserte Produkte und Dienstleistungen stärker nutzen. Mit KI lassen sich nicht nur bestehende Prozesse optimieren, KI kann auch das Geschäftsmodell verändern.“
Alle Unternehmen sehen aber auch Risiken beim Einsatz von KI. Am häufigsten genannt werden die Sorge vor neuen IT-Sicherheitsrisiken (79 Prozent), Verstöße gegen Datenschutzvorgaben (61 Prozent) sowie mögliche Anwendungsfehler bei der KI-Nutzung (59 Prozent). Rund die Hälfte der Unternehmen sorgt sich jeweils vor einer mangelnden Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse (49 Prozent), Fehler bei der Programmierung (48 Prozent), einer mangelnden Beherrschbarkeit von KI-Systemen (48 Prozent) sowie davor, dass Fehlerquellen in den Lerndatenbeständen nur schwer erkennbar sind (47 Prozent). 42 Prozent beklagen fehlende Lerndatenbestände, 40 Prozent Haftungsverpflichtungen bei Schäden und 39 Prozent Know-how-Verlust im Unternehmen durch den KI-Einsatz. In jedem dritten Unternehmen (33 Prozent) wird angesichts der kritischen öffentlichen Debatte zu KI ein möglicher Image-Schaden befürchtet. Dagegen spielt Ablehnung in der Belegschaft nur eine untergeordnete Rolle: Nur 27 Prozent sehen eine Verunsicherung der Beschäftigten als Risiko, ebenso viele einen Kontroll- bzw. Kompetenzverlust bei Führungskräften. Und gerade einmal 16 Prozent befürchten, dass KI die Unmündigkeit der Beschäftigten fördert. „Es braucht mehr Aufklärung zum KI-Einsatz, an dieser Stelle sind auch die Anbieter gefordert – und wir müssen aufpassen, dass wir nicht Regulierung vor Ermöglichung stellen“, sagte Berg.
KI-Investitionen steigen langsam
In den kommenden Jahren werden die Investitionen der deutschen Wirtschaft in Künstliche Intelligenz steigen – aber nur langsam. 5 Prozent haben bereits vor 2021 investiert, ebenso viele im vergangenen Jahr. 6 Prozent investieren im laufenden Jahr in KI, 10 Prozent haben das für 2023 vorgesehen. Und 20 Prozent wollen 2024 oder später investieren. Aber rund zwei Drittel (64 Prozent) haben noch nicht investiert und planen auch keine Investitionen für die Zukunft.
Dann könnte KI auch in weitere Unternehmensbereiche einziehen. Bislang wird die Technologie in den Unternehmen, die bereits KI nutzen, vor allem im Marketing (81 Prozent) und zur Kundenbindung (61 Prozent) verwendet. Rund die Hälfte setzt KI in der Produktion ein (54 Prozent), im Einkauf (54 Prozent), und in der Buchhaltung (50 Prozent). Eher selten unterstützt KI bei der Strategieerstellung (38 Prozent), in der IT-Abteilung und der Logistik (je 35 Prozent) sowie in der Personalabteilung (23 Prozent) und in Forschung und Entwicklung (15 Prozent). Praktisch kein Unternehmen (0 Prozent) verwendet KI in der Rechts- und Steuerabteilung. Ganz anders sieht das Bild aus, wenn man die Unternehmen fragt, die derzeit noch keine KI einsetzen. Von ihnen halten 86 Prozent den KI-Einsatz zur Kundenbindung in Zukunft für wahrscheinlich, 82 Prozent in der IT-Abteilung, 81 Prozent im Einkauf sowie jeweils 80 Prozent in der Produktion und in der Buchhaltung. Dahinter folgen Strategieentwicklung (71 Prozent), Logistik (70 Prozent) und Personalabteilung (60 Prozent). Aber auch 40 Prozent halten KI in Forschung und Entwicklung für wahrscheinlich, 37 Prozent in der Steuerabteilung.
KI in Unternehmen: Nur selten Chefsache – und zu oft männerdominiert
Bei den Unternehmen, die bereits KI nutzen oder dies konkret planen, ist KI nur selten Chefsache. Gerade einmal in 14 Prozent wird das Thema von Geschäftsführung bzw. Vorstand vorangetrieben. Deutlich häufiger ist die IT-Leitung bzw. CIO dafür verantwortlich (49 Prozent). In jedem vierten Unternehmen (24 Prozent) ist die technische Leitung bzw. CTO Treiber bei KI, in 8 Prozent die Leitung Digitalisierung bzw. CDO. Zugleich haben zwei Drittel (65 Prozent) Teams von weniger als 5 Personen, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema beschäftigen. 17 Prozent haben 5 bis 9 Personen, 6 Prozent 10 bis 19 und 2 Prozent sogar 20 oder mehr. Im Durchschnitt beschäftigen sich 3,3 Personen im Unternehmen schwerpunktmäßig mit dem Thema. Dabei ist in der großen Mehrheit der Unternehmen KI Männersache: Bei 7 von 10 (70 Prozent) ist keine Frau mit dem Thema befasst, nur in jedem fünftem (20 Prozent) ist mindestens eine Frau dabei. „Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist eine strategische Entscheidung und sollte Chefsache sein“, so Berg. „Gerade mit Blick auf den Mangel an Fachkräften ist es unverständlich, dass 70 Prozent der Unternehmen auf rein männliche KI-Teams setzen.“
Viele sehen sich bei KI abgeschlagen – und beklagen Fachkräftemangel und fehlende Daten
Die große Mehrheit aller Unternehmen sieht Nachholbedarf bei Künstlicher Intelligenz. Nur 1 Prozent sieht sich an der Spitze, 13 Prozent unter den Vorreitern. Aber 43 Prozent verorten sich unter den Nachzüglern, 42 Prozent glauben, den Anschluss verpasst zu haben. Deutlich optimistischer sieht das Bild aus, wenn man nur die Unternehmen fragt, die bereits KI nutzen. Von ihnen sehen sich 12 Prozent an der Spitze und 54 Prozent unter den Vorreitern, aber jedes Dritte (34 Prozent) hält sich auch für einen Nachzügler. „KI ist immer noch eine junge Technologie. Es gibt keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Wer sich jetzt ernsthaft mit KI beschäftigt, kann sich immer noch Wettbewerbsvorteile erarbeiten“, so Berg.
Die größten Hemmnisse für den KI-Einsatz in Unternehmen sind derzeit fehlende personelle Ressourcen sowie fehlende Daten für den KI-Einsatz (je 62 Prozent). Erst mit deutlichem Abstand folgen fehlende finanzielle Ressourcen (50 Prozent), die Verunsicherung durch rechtliche Hürden (49 Prozent), fehlendes technisches Know-how (48 Prozent) sowie fehlende Zeit (46 Prozent). Rund ein Drittel nennt die fehlende Akzeptanz der Beschäftigten (37 Prozent) sowie allgemein fehlendes Vertrauen in KI (33 Prozent). Und rund jedem Fünften (22 Prozent) fehlt es immer noch an Use cases für KI im Unternehmen.
Deutschland könnte international den Anschluss bei KI verlieren
Deutschland fällt beim Thema KI im internationalen Vergleich zurück. Nur 6 Prozent halten Deutschland derzeit für weltweit führend bei KI, vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 10 Prozent. Damit liegt Deutschland in der Einschätzung der Wirtschaft hinter Japan (10 Prozent), China (20 Prozent) und den USA (40 Prozent). Zugleich gehen nur 3 Prozent der Unternehmen davon aus, dass Deutschland 2030 beim Thema KI führend sein wird, vor einem Jahr lag der Anteil mit 8 Prozent noch darüber. 42 Prozent sehen 2030 die USA als führende KI-Nation, 26 Prozent China und 9 Prozent Japan. „Wir müssen in Deutschland ernst machen mit unserer KI-Strategie. Welche Nation eine Führungsrolle bei der Künstlichen Intelligenz einnimmt wird nicht mit Lippenbekenntnissen entschieden“, sagte Berg.
Um den KI-Einsatz im eigenen Unternehmen voranzutreiben wünschen sich drei Viertel (78 Prozent) finanzielle Förderung von KI-Projekten in Unternehmen. Jeweils rund zwei Dritteln (68 Prozent) würde der Austausch mit Unternehmen helfen, die bei KI bereits weiter sind, sowie Hilfestellungen bei der rechtlichen und ethischen Beurteilung des KI-Einsatzes. Rund die Hälfte wünscht sich eine bessere Verfügbarkeit von KI-Expertinnen und -Experten auf dem Arbeitsmarkt (55 Prozent), bessere Informationen über marktfähige KI-Anwendungen (54 Prozent) sowie einen leichteren Zugang zu Daten (45 Prozent).
Text: Bitkom e.V.