Das Bundeskabinett hat heute eine von Bundesumweltministerin Svenja Schulze vorgelegte Verordnung zur Änderung der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung beschlossen. Die Änderung dient vorrangig der Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen auf dem Gebiet der zivilrechtlichen Nuklearhaftung und verbessert die finanzielle Vorsorge von Kernanlageninhabern bei nuklearen Schadensfällen.
Kernanlageninhaber haften in Deutschland bereits seit Jahrzehnten unbegrenzt, darüber hinaus müssen sie nachweislich in einer bestimmten Höhe zur Deckung der Haftung finanziell vorsorgen. Für diese Deckungsvorsorge bei Kernanlagen und bei der Beförderung von Kernmaterialien sollen künftig in bestimmten Fällen höhere Mindestsummen gelten. Zur Verbesserung des Opferschutzes bei nuklearen Schadensfällen setzt sich Deutschland im Rahmen der bestehenden völkerrechtlichen Instrumente für die unbegrenzte Betreiberhaftung ein.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Wir haben uns international viele Jahre lang beständig für eine Verbesserung des völkerrechtlichen Atomhaftungsabkommens eingesetzt, zu dem auch Deutschland gehört. Kürzlich kam es unter den Vertragsstaaten endlich zum Durchbruch und die bereits 2004 beschlossene Reform wird bald in Kraft treten. Mit der heute beschlossenen Novelle regeln wir dafür letzte untergesetzliche Einzelheiten zur Deckungsvorsorge. Die Reform des Pariser Übereinkommens ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch bleibt die Haftung von AKW-Betreibern bei einem Atomunfall in vielen Ländern anders als in Deutschland weiter limitiert. Das muss sich ändern. Ich werde mich deshalb im Rahmen der bestehenden Abkommen weiter für eine unbegrenzte Haftung von AKW-Betreibern einsetzen. Faktisch dient die Atomhaftung in einigen Ländern mehr dem Schutz der AKW-Betreiber vor Insolvenz als dem Opferschutz, das kann nicht so bleiben.“
Für den Umgang mit Kernbrennstoffen und radioaktiven Erzeugnissen sowie Abfällen als auch für deren Beförderung gelten in Deutschland sehr hohe Sicherheitsanforderungen. Dennoch ist es notwendig, Genehmigungsinhaber für eine angemessene finanzielle Vorsorge zur Beseitigung etwaiger nuklearer Schäden in die Verantwortung zu nehmen. Die Änderungsverordnung sorgt hier für Verbesserungen. Wer nach dem Pariser Übereinkommen haftet, zu dem auch Deutschland gehört, erbringt in vielen Fällen künftig eine höhere finanzielle Vorsorge zur Beseitigung nuklearer Schäden als bisher. Dies betrifft zum Beispiel Beförderer von Kernbrennstoffen oder Genehmigungsinhaber von Atomkraftwerken in Stilllegung.
Die Änderung passt die Vorschriften der Atomrechtlichen Deckungsvorsorge-Verordnung insbesondere an die vom Protokoll vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens vorgesehenen Mindestdeckungssummen an. Für die Beförderung von Kernmaterialien beträgt die Deckungsvorsorge künftig in keinem Fall weniger als 80 Millionen Euro und für Kernanlagen in keinem Fall weniger als 70 Millionen Euro. Hiervon ausgehend legt die Verordnung in Abhängigkeit des Gefahrenpotenzials der beförderten Kernmaterialien bzw. Kernanlagen Regeldeckungssummen – das heißt, für den Regelfall geltende Deckungssummen – im Rahmen vorgesehener Deckungshöchstbeträge fest.
Das Pariser Übereinkommen regelt in derzeit 15 Vertragsstaaten die grenzüberschreitende zivilrechtliche Nuklearhaftung für den Betrieb von Kernanlagen und für die Beförderung von Kernmaterialien. Die letzte Reform beschlossen die Vertragsstaaten mit dem sogenannten Protokoll vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens. Dieses schreibt Mindestsummen zur Deckung der nach dem Pariser Übereinkommen vorgesehenen Haftung für nukleare Schäden vor. Kernanlagen im Sinne des Pariser Übereinkommens sind zum Beispiel Reaktoren, Urananreicherungsanlagen, Brennelementefabriken, zentrale und dezentrale Zwischenlager oder Landessammelstellen.
Der heute beschlossenen Änderungsverordnung muss noch der Bundesrat zustimmen. Sie tritt aller Voraussicht nach Anfang Januar 2022 – in Verbindung mit dem Inkrafttreten des Protokolls vom 12. Februar 2004 zur Änderung des Pariser Übereinkommens – in Kraft. Das Protokoll sollte nach ursprünglicher Planung bereits in Kraft sein. Hierfür ist die gleichzeitige Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durch die Vertragsstaaten notwendig, die zur EU gehören. In einzelnen Vertragsstaaten kam es jedoch zu anhaltenden Verzögerungen bei der Schaffung der innerstaatlichen Voraussetzungen für die Hinterlegung. Diese sind nun ausgeräumt, sodass die gemeinsame Hinterlegung der Ratifikationsurkunden zum 1. Januar 2022 erfolgen kann.
Text: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU)