Im Internet und in den sozialen Netzwerken kursieren derzeit vermehrt Falschinformationen und Missverständnisse zur deutschen Entwicklungspolitik. Hier gibt es darum Antworten auf die häufigsten aktuellen Fragen:
Hierzu erklärt Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze:
Was haben die Menschen in Deutschland von der Entwicklungspolitik?
Globale Probleme lassen sich nur durch globale Zusammenarbeit lösen. So lässt sich zum Beispiel der Klimawandel nur durch weltweit gemeinsames Handeln aufhalten. Und das geht in vielen unserer Partnerländer oft einfacher als in Deutschland. Weil man zum Beispiel direkt Windanlagen bauen könnte, anstatt erst von der Kohle umzusteigen und Kohlekraftwerke abzureißen. Also direkt in klimaneutrale Energie zu investieren, anstatt den Umweg über fossile Kraftstoffe zu wählen.
Dennoch gilt natürlich: Es ist egal, ob die Tonne CO2 in Peru, in Indien oder in Deutschland eingespart wird. Jede Einsparung ist gleich wichtig für den weltweiten Klimaschutz. Denn der Klimawandel ist global, die Klimaschäden sind weltweit spürbar – seien es Dürren im Sahel, Wirbelstürme im Gangesdelta oder Hochwasser in Niedersachsen.
Das gleiche gilt für die weltweite Bekämpfung von Gewalt und kriegerischen Konflikten, die Begleitung von fliehenden Menschen und die Unterstützung der Aufnahme- und Herkunftsländer, sowie die Bekämpfung von weltweiten Pandemien. Das alles gelingt nur mit mehr, anstatt mit weniger Zusammenarbeit.
Dazu kommt, dass sich Entwicklungspolitik auch finanziell lohnt. Mit jedem Euro, mit dem wir heute weltweit Gesellschaften krisenfester machen, sparen die Steuerzahlenden später vier Euro an humanitärer Nothilfe. Diese Investition zahlt sich also aus.
Deutschland ist zudem mehr denn je auf Verbündete und Handelspartner*innen überall in der Welt angewiesen, mit denen wir respektvoll und partnerschaftlich zusammenarbeiten. Eine aktive Entwicklungspolitik schafft dafür die Voraussetzung und ist ein wichtiger Türöffner. Deutschlands Wohlstand beruht auf dieser Weltoffenheit. Jeder zweite Euro wird mit Export verdient. Wenn Deutschland ein starkes Exportland bleiben will, wenn wir weiterhin Autos, Maschinen und Medikamente ins Ausland verkaufen wollen, können wir uns keine Schneckenhaus-Mentalität erlauben.
Zahlt Deutschland wirklich für Fahrradwege in Peru?
Im Internet kursiert derzeit die Zahl von 315 Millionen Euro, die das BMZ angeblich für Fahrradwege und Busse in Peru „zahlt“. Diese Zahl ist nicht richtig.
Richtig ist: Das BMZ unterstützt mit einem im Jahr 2020 zugesagten Zuschuss in Höhe von 20 Millionen Euro den Aufbau eines Fahrradschnellwegenetzes in Lima, das sich derzeit im Bau befindet. Im Jahr 2022 hat das BMZ weitere 24 Millionen Euro für den Bau von Radwegen in Peru zugesagt, die sich derzeit in der Planungsphase befinden.
Dieses Engagement erfolgt aus gutem Grund: Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen hat die Weltgemeinschaft 2015 vereinbart, dass alle Staaten ihre CO2-Emissionen senken und die reicheren Länder die ärmeren dabei unterstützen. Sowohl die frühere Bundeskanzlerin Merkel als auch Bundeskanzler Scholz haben zugesagt, dass Deutschland dazu einen jährlichen Beitrag leistet, der auf mindestens 6 Milliarden Euro im Jahr 2025 ansteigen wird.
Radschnellwege in einer der größten und schnell wachsenden Städte Südamerikas schaffen einen mehrfachen Nutzen: Sie sorgen für Mobilität für alle Teile der Bevölkerung zu erschwinglichen Preisen, ermöglichen so auch mehr Teilhabe der Armen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben und schützen das Klima. Denn der Verkehrssektor gehört zu den größten Verursachern von Treibhausgasen in Peru, einem Land mit sehr schnell wachsenden Ballungszentren. Wenn Peru weniger Treibhausgase ausstößt, ist das für die Menschen in Deutschland genauso wichtig wie Klimaschutz hierzulande. Denn langfristig führt Kilmaschutz – egal wo auf der Welt – dazu, dass wir weniger zahlen müssen, um Schäden und Verwüstungen nach Überschwemmungen oder Dürren zu reparieren und wiederaufzubauen.
Aus diesem Grund unterstützt Deutschland Peru ganz gezielt mit Krediten auch beim Aufbau eines umweltschonenden Bussystems. Hierfür wurden bereits 2020 rund 55 Millionen Euro als Kredit zur Verfügung gestellt, also rückzahlbar. 2022 wurde ein weiterer Kredit in Höhe von gut 100 Millionen Euro zugesagt.
Stimmt es, dass Deutschland Milliarden Euro an Indien zahlt und so ein reiches Land wirtschaftlich fördert?
Nein. Das Ziel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Indien ist es, gemeinsam globale Herausforderungen wie den Klimawandel zu bekämpfen. Denn hierfür ist eine Kooperation mit großen und aufstrebenden Ländern wie Indien zwingend. Auch geopolitisch ist Indien als größte Demokratie der Welt ein wichtiger Partner.
Anders als in Ländern mit einem niedrigeren Bruttoinlandsprodukt funktioniert die Zusammenarbeit mit Indien zu rund 90 Prozent über günstige Kredite. Das bedeutet: Indien zahlt diese Mittel verzinst wieder zurück. Für den größten Teil der deutsch-indischen Zusammenarbeit ist daher gar kein Steuergeld nötig. Entscheidend ist: Wenn diese Investitionen dazu führen, dass das bevölkerungsreichste Land der Welt sich in Richtung Klimaneutralität entwickelt, profitieren am Ende alle Menschen weltweit, ob in Indien oder in Deutschland.
Zahlt Deutschland Gelder an China im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit?
Deutschland zahlt keine Entwicklungsgelder an China. China verfügt über große wirtschaftliche und technologische Ressourcen. Das Land vergibt selbst Kredite an andere Länder und investiert in Infrastrukturprojekte beispielsweise in Afrika. Seit 2010 gibt es daher keine bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zwischen Deutschland und China. Die noch bestehende Zusammenarbeit des BMZ mit China konzentriert sich darauf, dass beide Länder gemeinsam so genannte globale öffentliche Güter bereitstellen und schützen wollen, wie etwa Klimaschutz und Gesundheit und beinhaltet vereinzelt auch Kooperationen zugunsten von Drittländern.
Dass China trotzdem in den Statistiken zur offiziellen Entwicklungszusammenarbeit auftaucht, liegt unter anderem daran, dass zum Beispiel Kosten für chinesische Studierende an deutschen Hochschulen dort eingerechnet werden. Dieser Austausch ist im deutschen Interesse, da viele der chinesischen Studierenden nach ihrem Studium zu den engen wirtschaftlichen Beziehungen beitragen, indem sie zum Beispiel für deutsche Unternehmen arbeiten, die eng mit China zusammenarbeiten. Hinzu kommt der Rechtsstaatsdialog des Bundesjustizministeriums mit China, der durch ein Projekt des Entwicklungsministeriums unterstützt wird.
Außerdem werden in China Projekte der Kirchlichen Zentralstellen durchgeführt. Diese Projekte gehören zu dem Teil der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, die von nichtstaatlichen Organisationen eigenständig initiiert und umgesetzt werden – zum Beispiel von den Kirchen, von politischen Stiftungen und von sehr vielen Nichtregierungsorganisationen (NROs). Auch diese Form der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wird vom Staat finanziell unterstützt. Die Verantwortung für die Durchführung der Projekte tragen die nichtstaatlichen Trägerorganisationen. Sie behalten trotz der staatlichen Zuschüsse ihre volle Eigenständigkeit. Diese Träger verpflichten sich dazu, im Sinne der demokratischen Grundordnung, nicht-missionierend oder politisch beeinflussend zu arbeiten. Und dann entscheiden sie selbst über die Verwendung der BMZ-Mittel hinsichtlich Partnerinnen und Partnern, Themen und Projektauswahl.
Finanziert das BMZ Gender-Trainings in China oder ein Projekt zu positiver Maskulinität in Ruanda?
Ja. Diese beiden Projekte sind allerdings keine eigenen Projekte des BMZ, sondern werden von den Kirchen verantwortet (in China: Katholische Zentralstelle für Globale Entwicklung und in Ruanda: Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe). Die Kirchen entscheiden über die Verwendung der BMZ Mittel hinsichtlich Partner, Themen und Projektauswahl eigenständig.
Darüber hinaus unterstützt das BMZ zahlreiche eigene Projekte für Geschlechtergerechtigkeit. Denn Gesellschaften, in denen die Gleichstellung von Mann und Frau geachtet und gefördert wird, sind stabiler und widerstandsfähiger. Im Rahmen ihres Schwerpunkts feministische Entwicklungspolitik unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit darum zum Beispiel Projekte, die Gewalt gegen Frauen bekämpfen. Um hier nachhaltig erfolgreich zu sein, sind veränderte Rollenbilder bei den Männern sehr wichtig. Genau das ist mit positiver Maskulinität gemeint. Erst eine veränderte Haltung gegenüber Frauen, führt zu einem beständigen Rückgang der Gewalt gegenüber Frauen.
Stimmt es, dass deutsches Entwicklungsgeld an die Taliban fließt?
Nein. Es gibt keine direkte Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan und es fließt kein Geld an die Taliban, die keine legitime Regierung in Afghanistan darstellen. Deutschland hat nach der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit eingestellt, unterstützt die afghanische Bevölkerung aber weiterhin über multilaterale Organisationen wie die UNO oder die Weltbank und gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen. Eine Zusammenarbeit mit den Taliban findet nicht statt. Es fließen keine Mittel über die Ministerien und Behörden der Taliban.
Finanziert Deutschland mit Entwicklungsprojekten die Hamas im Gaza-Streifen?
Es fließen keine Mittel der Bundesregierung an Terrororganisationen wie die Hamas. Die Bundesregierung zahlt auch keine nicht-zweckgebundenen Finanzmittel an die Palästinensische Autonomiebehörde. Die Mittel der Bundesregierung in den Palästinensischen Gebieten werden unter strengen Kriterien zweckgebunden für ausgewählte Projekte eingesetzt.
Die strengen Kontrollmechanismen des BMZ, die für alle Projekte in den palästinensischen Gebieten gelten, umfassen eine engmaschige und mehrstufige Überprüfung von lokalen Partnern und ihren Mitarbeitenden, von Material, das in den Gaza-Streifen eingeführt wird, sowie von Finanzflüssen.
Dass Deutschland sich für die Linderung des Leids der Palästinenser*innen engagiert, steht in der aktuell schwierigen Lage außer Frage. Denn langfristig werden Israelis und Palästinenser*innen nur in Frieden und Sicherheit leben können, wenn es auch die jeweils andere Seite tut.
Warum streicht Deutschland den Ländern, die ihre ausreisepflichtigen Staatsangehörigen nicht zurücknehmen, nicht die Gelder?
Wer die Unterstützung für Ernährung, Bildung oder Gesundheitssysteme kürzt, vergrößert das Leid von Menschen und verstärkt die politische und soziale Unsicherheit. Das vermehrt die Ursachen von Flucht und Migration, anstatt sie zu reduzieren.
Indem Entwicklungspolitik Ungleichheiten abbaut und Perspektiven für ein menschenwürdiges Leben schafft, trägt sie zu Frieden und Sicherheit bei. Das sind die wichtigsten Voraussetzungen, um zu verhindern, dass Menschen fliehen müssen.
Die Erfahrung zeigt: Die Zusammenarbeit mit anderen Regierungen funktioniert in Migrationsfragen vor allem durch mehr Kooperation und vertrauensvolle Kommunikation und nicht durch Druck und Konfrontation.
In Staaten mit autoritären Regierungen, mit denen eine Zusammenarbeit nur eingeschränkt möglich ist, arbeiten wir bereits jetzt so, dass die Unterstützung direkt bei der Bevölkerung ankommt.
Zahlt Deutschland wirklich 61 Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit im Jahr?
Nein, diese Summe aus dem BMZ-Transparenzportal bezieht sich auf das Gesamtvolumen aller, meist über viele Jahre laufende Vorhaben und umfasst sowohl Zuschüsse als auch Kredite, die zurückgezahlt werden.
Der BMZ-Haushalt, also die in dem Jahr eingesetzten Steuermittel, belief sich im Jahr 2023 auf rund 12 Milliarden Euro. Das sind etwa 2,5 Prozent des Bundeshaushalts.
Warum zahlt Deutschland so viel mehr Entwicklungsgelder als andere Länder?
Deutschland liegt mit seinen Entwicklungs-Investitionen gemessen an seiner Wirtschaftskraft hinter Luxemburg, Schweden und Norwegen auf Platz 4. Das vergleichsweise große entwicklungspolitische Engagement liegt im deutschen Interesse. Deshalb hat es über viele Regierungskonstellationen hinweg auch eine lange Tradition. Als global vernetzte Volkswirtschaft ist Deutschland noch stärker als andere darauf angewiesen, belastbare Zugänge und vertrauensvolle Partnerschaften zu pflegen sowie globale Krisen friedlich und auf dem Wege der Zusammenarbeit zu lösen.
Globale Probleme lassen sich nur durch globale Zusammenarbeit lösen. So lässt sich zum Beispiel der Klimawandel nur durch weltweit gemeinsames Handeln aufhalten. Und das geht in vielen unserer Partnerländer oft einfacher als in Deutschland. Weil man zum Beispiel direkt Windanlagen bauen könnte, anstatt erst von der Kohle umzusteigen und Kohlekraftwerke abzureißen. Also direkt in klimaneutrale Energie zu investieren, anstatt den Umweg über fossile Kraftstoffe zu wählen.
Das gleiche gilt für die weltweite Bekämpfung von Gewalt und kriegerischen Konflikten, die Unterstützung Geflüchteter und die Unterstützung der Aufnahme- und Herkunftsländer, sowie die Bekämpfung von weltweiten Pandemien. Das alles gelingt nur mit mehr anstatt mit weniger Zusammenarbeit.
Entwicklungspolitik lohnt sich finanziell. Mit jedem Euro, mit dem wir heute weltweit Gesellschaften krisenfester machen, sparen die Steuerzahlenden später vier Euro an humanitärer Nothilfe. Diese Investition zahlt sich also aus.
Deutschland ist zudem mehr denn je auf Verbündete und Handelspartner*innen überall in der Welt angewiesen, mit denen wir respektvoll und partnerschaftlich zusammenarbeiten. Eine aktive Entwicklungspolitik schafft dafür die Voraussetzung und ist ein wichtiger Türöffner. Deutschlands Wohlstand beruht auf dieser Weltoffenheit. Jeder zweite Euro wird mit Export verdient. Wenn Deutschland ein starkes Exportland bleiben will, wenn wir weiterhin Autos, Maschinen und Medikamente ins Ausland verkaufen wollen, können wir uns keine Schneckenhaus-Mentalität erlauben.
Text: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)