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Interviewreihe Circular Competence: „Wir müssen schneller werden“

by Redaktion

Mit dem Team der MBO Postpress Solutions GmbH sucht Geschäftsführer Thomas Heininger an allen Fronten nach Effizienzpotenzialen. Das Unternehmen geht für das Ziel der Klimaneutralität unkonventionelle – aber erfolgreiche Wege.

In der Interviewreihe „Circular Competence“ befragt der VDMA Fachverband Druck- und Papiertechnik seine Mitgliedsunternehmen zu ihren Plänen, Lösungen und Herausforderungen auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft. Was kann die Branche dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck von Verpackungen und anderen Druckerzeugnissen zu minimieren?

Mit dem Team der MBO Postpress Solutions GmbH sucht Geschäftsführer Thomas Heininger an allen Fronten nach Effizienzpotenzialen. Das Unternehmen aus Oppenweiler geht für das Ziel der Klimaneutralität unkonventionelle – aber erfolgreiche Wege.

Bis Mitte des Jahrhunderts wollen die führenden Industrienationen klimaneutral wirtschaften. Ist diese Zielsetzung aus Ihrer Sicht realistisch?
Davon bin ich überzeugt. Wir sollten das sogar viel früher schaffen. Denn wir sehen die Folgen des Klimawandels überall. Meine Familie hatte bei München einen Skilift. Dort habe ich als Kind Skifahren gelernt. Dieser Lift könnte längst nicht mehr betrieben werden, weil es in mittleren Lagen kaum noch schneit. Und im Sommer hatten wir ab 27 °C hitzefrei. Da wären heutige Kinder kaum noch in der Schule. Die Veränderungen sind drastisch, für sehr viele Menschen existenzbedrohend. Die Klimafolgekosten steigen umso höher, je später und langsamer wir handeln. Oder bildlich gesprochen: Wir sitzen auf einem Pulverfass und die Lunte ist sehr kurz.

Was unternehmen Sie, um den Energiebedarf Ihrer Produktion zu minimieren?
Es beginnt im Kleinen: Wir finanzieren unseren Beschäftigten das Fahrradleasing und Jahrestickets für den Öffentlichen Verkehr. Wir betreiben eine wachsende Flotte von Elektroautos und Hybriden als Firmenwagen, haben überall LED-Beleuchtung und wir investieren konsequent in Photovoltaik. Sie deckt zwei Drittel unseres Strombedarfs. In Portugal bauen wir eine weitere Anlage mit einer Peak-Leistung von 700 Kilowatt. Und das wird nicht die Letzte sein. Denn bei den aktuellen Energiepreisen amortisiert sich eine PV-Anlage in unter zwei Jahren. Aber darum geht es uns nicht. In erster Linie wollen wir zukunftsfähig sein. Das gelingt nur, wenn wir uns dem Wandel anpassen. Das greift tief in unsere Unternehmenskultur. Wir animieren unsere Beschäftigten, es daheim fortzusetzen. Wenn sie ihre Firmenwagen an der eigenen Solaranlage laden, bezahlen wir das. Unsere Auszubildenden haben in einem Projekt eigenständig eine überdachte Ladestation für eBikes geplant und realisiert. Damit haben sie Preise auf Landesebene gewonnen und wir vermarkten ihre Lösung in der Region. Als ich hier anfing, hatte das Unternehmen keine Auszubildenden. Nun sind es jährlich insgesamt 15 bis 17, auch weil sich herumspricht, dass sie bei uns in sinnhaften Projekten lernen. Aktuell planen und prüfen wir eine Umstellung auf die Viertagewoche. Ich bin überzeugt, dass es unseren Beschäftigten guttut, regelmäßig aufzutanken und dann mit frischer Kraft mehr zu schaffen. Natürlich senkt ein freier Tag mehr auch unseren Energiebedarf.

Wie unterstützen Sie Ihre Kunden dabei, energieeffizienter zu produzieren?
Wir sind mit rund 400 Beschäftigten ein kleines mittelständisches Unternehmen, das auf Weiterverarbeitungslösungen spezialisiert ist. Die Einsparpotenziale sind ebenso wie unsere personellen Ressourcen begrenzt. Das lösen wir unter anderem durch die Vergabe von Masterarbeiten an Studierende aus dem Maschinenbau. In einem dieser Projekte hat sich ein Student systematisch mit der Optimierung der Luftströmungen in einer unserer Falzmaschinen beschäftigt. Durch Einsatz einer effizienteren Pumpe, einer verbesserten Steuerung und simulationsgestützte Optimierung der Luftführung und Düsen, die wir anschließend additiv gefertigt haben, ist der Energiebedarf dieser Maschine deutlich niedriger. Die Masterarbeit war eine 1,0 und den Studenten haben wir natürlich direkt übernommen. Solche Projekte, die nicht in der Schublade landen, sondern zu nachhaltiger Verbesserung führen, sind ein Weg, um Fachkräfte nicht nur zu finden, sondern sie auch zu binden. Darum geht es. Der demographische Wandel läuft. In zehn Jahren werden der deutschen Wirtschaft sieben Millionen Arbeitskräfte fehlen. Aber zurück zur Energieeffizienz. Oft läuft sie fast unbemerkt mit, etwa wenn es in erster Linie um die Beseitigung unmenschlicher monotoner Handarbeit und um Produktivitätssteigerung geht. Wir haben eine weitgehend autonome 4.0-Kette, in der ein Autopilot integriert ist, welcher die Produktionsplanung unterstützt, und automatisierte Signaturwechsel ermöglicht, eine kameragestützte Falzqualitätskontrolle fehlgefalzte Bögen ausschleust und ein Cobot die gefalzten Bögen abstapelt. Alles das minimiert die Rüst- und Stillstandzeiten, sorgt also für Produktivität. Zugleich sinkt in einer verstetigten, trotz häufiger Jobwechsel gleichmäßig laufenden Produktion der Energiebedarf. Denn im Leerlauf oder durch ständiges Anfahren verbrauchen Maschinen unnötig viel Strom.

Welche Rolle spielt das Thema in Ihrer Forschung und Entwicklung?
Es geht um die Frage, ob wir die im Prinzip seit Jahrzehnten kaum veränderte Technik wie bisher in kleinen Schritten optimieren – oder all das über Bord wirft und komplett neu denkt. Damit beschäftigen wir uns. Wie sieht eine Falzmaschine aus, die mit den modernsten Entwicklungs- und Fertigungsmethoden realisiert wird – und bei der vom ersten Strich der Konstruktionszeichnung an die Produktivität und Energieeffizienz im Vordergrund stehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns als Unternehmen an allen Fronten verbessern können – und jederzeit bereit sein müssen, unsere Prozesse und unsere Produkte zu überdenken. Gebäude, Heizung und Kühlung zählen ebenso dazu wie die eigene Stromerzeugung und die Mobilität. Alles hängt zusammen. Wir sind als Gesellschaft und als Unternehmen gefordert, Veränderungen ganzheitlich zu denken und umzusetzen. Wir laden dazu auch Experten aus unterschiedlichen Bereichen ein, um neue Standpunkte kennenzulernen, uns daran zu reiben und inspirieren zu lassen.

Was wünschen Sie sich von Gesetzgebern auf dem Weg zur Klimaneutralität?
Ich würde mir wünschen, dass man Investitionen in den Klima- und Umweltschutz schneller abschreiben kann. Denn ich denke, das würde viele Entscheidungsprozesse beschleunigen – und wie eingangs gesagt müssen wir schneller werden. Auch würde ich mir vom Gesetzgeber oft ein konsequenteres Setzen der Rahmenbedingungen wünschen, damit Innovationen schneller in den Markt finden. Lasche Regulierung hat den Effekt, dass billigere, meist ineffizientere Technik gekauft wird. Gerade als Land, das Schlüssel-technologien der Zukunft in alle Welt exportiert, müssen wir die Nase vorn behalten. Strenge Regulierung zwingt die Industrie zu Innovationen, die dann weltweit Märkte finden.

Text: VDMA e.V. – Druck- und Papiertechnik

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